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Wer es schafft, sofort in einen niedrigeren Gang zu schalten, hat mehr von seinem weiteren Leben.

Leitartikel
Verschuldungsspirale

Gefahr lauert in jedem Lebensalter


Von Bernhard Hertlein
Nicht besonders witzig, aber sehr solide: So sahen sich jahrzehntelang die Deutschen selbst. Und genau so wurden sie auch im Ausland beschrieben.
Inzwischen wird uns zwar abgenommen, dass wir hin und wieder auch mal witzig sind. Aber zugleich ging der Ruf der absoluten Solidität dahin. Nur in Großbritannien ist aktuell der Anteil der überschuldeten Privathaushalte noch höher als in Deutschland. Dem entspricht, dass sich auch der Staat seit Jahren weit über das hinaus verschuldet, was Maastricht und eine gesunde Haushaltsführung erlauben.
Gern wird in solchen Situationen der Familie die Schuld in die Schuhe geschoben. Und unbestreitbar tragen die Eltern hier Verantwortung. Doch sie tragen umso schwerer, je leichter es den Jugendlichen gemacht wird, sich für einen Handyvertrag oder auch nur für ein Abonnement von Klingeltönen zu verschulden. Hier hat zum Glück der Gesetzgeber dafür gesorgt, dass die Anbieter heute auch im eigenen Interesse die Bonität ihrer jugendlichen Kunden sorgfältiger überprüfen.
Neue Tendenzen in der Schuldnerentwicklung zeigen allerdings: Der richtige Umgang mit Geld ist eine lebenslange Lernaufgabe. Besonders schwierig sind die Übergänge: vom Taschengeld-Bezieher zum Auszubildenden, vom Praktikanten zum Festangestellten, vom gut verdienenden Arbeitnehmer zu dem ohne 13. Monatsgehalt oder zum Arbeitslosen oder zum (Früh-)Rentner.
In allen Fällen besteht die Gefahr, dass man seine Möglichkeiten über- oder die Notwendigkeit von Einschränkungen unterschätzt.
Dabei gibt es eine Generation, die hat das Sparen noch von ihren Eltern gelernt. Ihr wird von denen, die gern die Konjunktur ankurbeln möchten, gesagt, dass sie sogar zu viel auf die hohe Kante legt.
Weiter gibt es die Jungen von der »Generation Praktika«. Ihnen bleibt jetzt gar nichts anderes übrig, als das Sparen in der lang gewordenen Phase der Arbeitsplatzsuche hart zu erlernen.
Und schließlich gibt es die seit Florian Illies so genannte »Generation Golf« der heute 30- bis 40-Jährigen und die der älteren Nach-68er. Sie gingen bislang davon aus, dass sie das Glück und den Erfolg mehr oder weniger gepachtet haben. Plötzlich aber haben sie nicht mehr, sondern weniger Geld in der Tasche. Dabei hat man sich gerade ein noch schnelleres Auto gekauft oder einen Kredit für ein neues Haus aufgenommen . . .
Dies sind die entscheidenden Wendepunkte. Wer es schafft, sofort in einen niedrigeren Gang zu schalten, hat mehr von seinem weiteren Leben. Den anderen droht das Abrutschen in die Verschuldungsspirale. Am Ende kann schlimmstenfalls, verstärkt durch private Katastrophen, sogar die Obdachlosigkeit stehen. Ein rechtzeitiger Gang zur Schuldnerberatung könnte dies verhindern.
Es ist gut, wenn die Deutschen etwas vom soliden Ruf zurückerhalten. Das bisschen Witz, Leichtigkeit und Kreativität brauchen sie deshalb nicht aufzugeben.

Artikel vom 24.02.2006