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Sie bekam ein
tickendes Herz

OP-Premiere rettet Detmolderin

Von Christian Althoff
Bad Oeynhausen (WB). Rosa Wangen, ein Lächeln auf den Lippen - kaum zu glauben, dass Margarete Wiebe (55) noch vor ein paar Wochen todkrank war. »Ich fühle mich wirklich prima!«, strahlte die weltweit erste Patientin, der Ärzte ein noch schlagendes Herz implantiert hatten.
Margarete Wiebe mit dem OP-Team (v.l.) Dr. Uwe Schulz, Dr. Sebastian Schulte-Eistrup, Prof. Dr. Reiner Körfer und Dr. Gero Tenderich. Vorne das erstmals benutzte Organ-Transportsystem.

Die Detmolderin ist seit 14 Jahren herzkrank. Aus noch unerforschter Ursache verlor ihr Herz immer mehr Kraft - bis die Frau im Juli 2005 auf die Transplantationsliste gesetzt wurde. »Ich bekam kaum noch Luft und musste auf jeder Treppenstufe verschnaufen. Das Leben war eine Qual.«
Gerettet wurde die Mutter von sechs Töchtern im Alter zwischen 14 und 33 Jahren am 16. Januar. Chirurgen des Herzzentrums holten ein Spenderorgan aus Baden-Württemberg und pflanzten es der Frau in einer dreistündigen OP ein - die 1497. Herztransplantation in Oeynhausen, und doch eine ganz besondere: »Gewöhnlich werden Spenderorgane auf vier Grad gekühlt, damit sie den Transport überstehen«, erklärt Klinikchef Prof. Dr. Reiner Körfer. Bei dieser Methode seien jedoch vereinzelt Organschäden möglich, außerdem steige bei Transporten von mehr als vier Stunden das Sterberisiko für den Empfänger um 40 Prozent. »Bei unserer Detmolder Patientin haben wir deshalb erstmals ein Transportgerät aus den USA eingesetzt, in dem das Spenderorgan die selben Bedingungen vorfindet wie im menschlichen Körper. Es wird durchblutet und schlägt bei Körpertemperatur weiter.« 186 Minuten habe der Transport gedauert, und nur die ersten 16 Minuten nach der Explantation habe das Herz nicht geschlagen. »Es war in einem hervorragenden Zustand, als es hier eintraf«, sagte der Klinikchef. Drei Tage nach der OP konnte sich Margarete Wiebe bereits im Zimmer bewegen, nach einer Woche lief sie schon über den Flur.
Körfer wagte die Prognose, dass Margarete Wiebes neues Herz länger problemlos schlagen wird als das eines Patienten, dessen neues Organ gekühlt transportiert worden ist. »Deshalb setzen wir das neue Transportsystem jetzt immer ein, wenn der Transport länger als zwei Stunden dauert.« Tierversuche mit dem »Organ Care System« hätten gezeigt, dass sich zehn Stunden überbrücken ließen. »Damit können wir künftig Spenderorgane aus jedem noch so entfernten Zipfel Europas einfliegen«, sagte Körfer.
Waleed Hassamein, Präsident des Herstellers Transmedics, erklärte, sein Unternehmen habe sieben Jahre Forschung und 35 Millionen Dollar in die Entwicklung des »Organ-Taxis« investiert. »Es war klar, dass wir es in der Klinik mit der weltweit größten Transplantationserfahrung testen lassen würden - in Oeynhausen.«
Vier Wochen nach der OP hatte Margarete Wiebe die Klinik verlassen dürfen. Gestern wurde sie von ihrer Tochter Helene (24) nach Bad Oeynhausen begleitet, wo eine Kontrolluntersuchung stattfand und die Patientin der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. »Wir können noch gar nicht glauben, wie gut es unserer Mutter geht«, sagte die 24-Jährige, und die Patientin selbst sagte lächelnd: »Es ist ein unbeschreiblich schönes Gefühl, endlich keine Atemnot mehr zu haben.«

Artikel vom 24.02.2006