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Fettes Essen für dicke Schulkinder

Anteil der Übergewichtigen gestiegen - Hausmeister verkaufen Pommes

Von Dietmar Kemper
Bielefeld/Paderborn (WB). Die Zahl der sechsjährigen Kinder, die dick oder sogar fettsüchtig sind, ist in Nordrhein-Westfalen zwischen 1996 und 2004 um 18 beziehungsweise 23 Prozent gestiegen.
Helmut Heseker wirbt für frisch zubereitetes Essen mit Obst und Gemüse. Stattdessen beißen Jugendliche in Hamburger.

Auch Jugendliche hätten zu viele Kilos auf den Rippen, stellt das Bielefelder Landesinstitut für den öffentlichen Gesundheitsdienst (LÖGD) in einer aktuellen Studie fest. Das Institut beruft sich auf Entlassungsuntersuchungen, wonach von 8900 Hauptschülern im Jahr 2004 jeder fünfte 15-Jährige übergewichtig oder adipös war.
In den Ganztagsschulen in Deutschland ist das Essen nach wie vor zu fett, sagte der Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), Helmut Heseker von der Universität Paderborn dieser Zeitung. Eine ausgewogene Schulverpflegung mit Salat, Gemüse und Obst werde nicht zuletzt im Hinblick auf die Schulanfänger immer wichtiger. Von ihnen sind 11,3 Prozent der Jungen und 11,4 Prozent der Mädchen zu dick oder fettleibig.
Heseker ist gerade aus den USA zurückgekehrt. Dort gingen immer mehr Schulen dazu über, Limonaden wie Coca Cola aus den Getränkeautomaten zu verbannen, berichtete der Ernährungswissenschaftler. In Boston werde »Planet Health« (Planet Gesundheit) praktiziert. Bei diesem Programm zur Adipositas-Prävention in Schulen würden die Grundlagen gesunder Ernährung im Unterricht vermittelt. Mit seiner Kritik an der Qualität der Schulverpflegung in Deutschland steht Heseker nicht allein da. Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in Berlin gab ihr die Note mangelhaft.
Um die Bedeutung einer ausgewogenen Versorgung mit Speisen und Getränken deutlich zu machen, startete die Deutsche Gesellschaft für Ernährung das Projekt »Schule + Essen = Note 1«. Heseker erklärt: »Viele Schüler essen morgens gar nichts, mittags aber zu fettreich. Weil viel Blut für die Verdauung verbraucht wird, steht dem Gehirn weniger Sauerstoff zur Verfügung und die Konzentration lässt nach.« Viele Schulen versuchten, das Mittagessen »möglichst billig« bereitzustellen, sagte Heseker. Deshalb scheuten die Verantwortlichen die Investition für eine Küche, in der das Essen frisch zubereitet wird, und schlössen Lieferverträge beispielsweise mit Krankenhaus- und Altenheimküchen ab.
Innerhalb der Schulen buhlten Hausmeister mit ihrem Kiosk um die Gunst der Kinder. »Dort gibt es dann Pommes, Bratwurst und Coca Cola«, beschrieb Heseker die Folgen. Er hält es durchaus für zumutbar, dass Eltern für die Mittagsmahlzeit ihrer Kinder 5 Euro zahlen, wenn das Essen frisch zubereitet wurde. Der Wissenschaftler fordert die Eltern auf, Einfluss zu nehmen: »In der Gesamtschule Paderborn-Elsen setzt sich ein Elternverein für ordentliches Essen ein.«

Artikel vom 27.02.2006