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Die silberne Welt der Amelie

Snowboard: »Nesthäkchen« Kober fährt frech und locker auf Platz zwei

Turin (dpa). Ihre risikoreichen Traumläufe fanden im Finale nach einem Ausrutscher ein jähes Ende, die Olympischen Winterspiele wurden für Amelie Kober trotzdem zu einer fabelhaften Welt. Jubelnd fuhr die 18 Jahre alte Snowboarderin über die Ziellinie und konnte ihr Glück über den Gewinn der Silbermedaille im Parallel-Riesenslalom kaum fassen.

»Silber hört sich einfach super an. Ich kann es noch nicht glauben«, sagte die Oberbayerin und tanzte ausgelassen durch den Zielraum. Mit nicht für möglich gehaltener Nervenstärke war die jüngste Starterin im Feld am Donnerstag in Bardonecchia bis ins Finale vorgedrungen und musste sich nach einem Sturz erst dort der Favoritin Daniela Meuli aus der Schweiz geschlagen geben. Das Nesthäkchen im Team holte damit die dritte Medaille für deutsche Snowboarderinnen in der Olympia-Geschichte. 1998 in Nagano hatten Nicola Thost Gold in der Halfpipe und Heidi Renoth ebenfalls Silber im Parallel-Riesenslalom gewonnen.
Amelie Kober, die bislang im Weltcup lediglich einmal als Zweite in Sölden im Oktober 2005 auf das Siegerpodest gefahren war, entschädigte mit ihrem unerwarteten Erfolg die deutschen Snowboarder für ein bislang mäßiges Abschneiden bei den Turiner Winterspielen. »Mit 18 Jahren bei Olympia auf das Podest zu fahren, da kann man nur sagen ÝHut abÜ«, lobt Bundestrainer Uwe Beier.
Mit erstaunlicher Lockerheit hatte die Polizeimeisteranwärterin schon in Qualifikations- und Eliminationslauf überrascht und die fünftbeste Zeit erzielt. Trainer Beier hatte Platz acht als Ziel ausgegeben. Ihr Meisterstück lieferte Amelie Kober im Achtelfinale: Nach einem Sturz im ersten Lauf holte sie die 1,5 Sekunden Rückstand noch auf und schlug die Niederländerin Nicolien Sauerbreij um 0,03 Sekunden.
Auch im Viertelfinale waren gute Nerven gefordert. Vize-Weltmeisterin Swetlana Boldikowa aus Russland schlug sie um 0,07 Sekunden. Im Halbfinale profitierte Amelie Kober von zwei Stürzen der Österreicherin Doris Günther. Im Finale verpatzte sie im ersten Durchgang den Start. Die 0,21 Sekunden Rückstand schienen im zweiten Lauf wieder aufgeholt, doch dann kam der Sturz, der das mögliche Gold kostete.
Bis vor wenigen Wochen ging Amelie Kober auf das Eliteinternat des Sports, die Christopherusschule in Berchtesgaden. Um sich noch mehr auf ihre Sport-Karriere konzentrieren zu können, beendete sie die Schulausbildung. Die Olympia-Teilnahme hing dennoch am seidenen Faden. Bei einem Autounfall anfang des Jahres auf eisglatter Fahrbahn blieb sie mit Glück unverletzt.
Nach ihrem Silber-Coup in Turin soll Amelie Kober zur Vorzeige-Athletin der deutschen Snowboarder werden. »Es ist ein toller Tag für uns. Wir hoffen auf einen Aufschwung für den ganzen Snowboard-Sport in Deutschland«, sagte Stade. »Wir haben gezeigt, dass wir hier nicht nur die Spaßfraktion sind.«

Artikel vom 24.02.2006