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Verneigung vor Russland - und
Silber glänzt doch auch schön

Biathlon-Staffel der Frauen kann nur dem Olympiasieger nicht folgen

Turin (dpa). Die erfolgsverwöhnten deutschen Biathletinnen haben den »Staffel-Fluch« der vergangenen vier Jahre auch im Olympia-Rennen von San Sicario nicht bannen können.Souverän bringt Albina Achatowa Russlands Staffel nach Hause.
Beim nie gefährdeten Start-Ziel-Sieg des russischen Quartetts freuten sich Martina Glagow, Andrea Henkel, Katrin Apel trotzdem über Silber und empfingen Schlussläuferin Kati Wilhelm im Ziel von San Sicario mit »La Ola«. »Wir sind glücklich mit Silber, da war nicht mehr drin«, sagte Bundestrainer Uwe Müssiggang. »Silber ist ja auch schön«, meinte Andrea Henkel über die achte deutsche Biathlon-Medaille dieser Spiele und verbeugte sich nach der Flower-Zeremonie gemeinsam mit ihren Teamkolleginnen vor den Olympiasiegerinnen.
Acht Nachlader und eine Strafrunde waren gegen die nur zwei Mal vorbei zielenden Russinnen Anna Bogali-Titowez, Swetlana Ischmuratowa, Olga Saizewa und Albina Achatowa zu viel. »Dass sie so souverän sind, das hätte ich nicht erwartet«, meinte Müssiggang, dessen Staffel seit dem Olympia-Triumph 2002 auf eine Goldmedaille bei einem großen Wettkampf wartet. Seit der Olympia-Premiere 1992 jedoch kehrte das deutsche Quartett nie ohne Edelmetall nach Hause.
Nach 4 x 6 Kilometern hatten die Deutschen 50,7 Sekunden Rückstand auf Weltmeister Russland, der den Sieg seiner wegen Dopings gesperrten und von Olympia ausgeschlossenen Kollegin Olga Pylewa widmete. Bronze ging an Frankreich, dass 2:26,7 Minuten zurücklag. Die deutsche Taktik ging vom Start weg nicht auf. Die als treffsicher geltenden Glagow (Mittenwald) und Henkel (Großbreitenbach) verfehlten fünf Scheiben. »Diesen 30 Sekunden Rückstand sind wir vergebens hinterhergelaufen«, sagte Müssiggang. »Es ist keine Schande, gegen die überragend schießenden Russinnen zu verlieren. Wir wollen nicht arrogant werden. Wir haben schließlich noch keine Staffel in dieser Saison gewonnen.«
Startläuferin Martina Glagow beendete nach drei Fehlschüssen ihre Runde mit 12,5 Sekunden Rückstand als Dritte. »Es waren definitiv andere Windverhältnisse als beim Anschießen«, erklärte die nun dreimalige Silbermedaillen-Gewinnerin dieser Spiele. »Aber die Fehler hätten nicht sein müssen, das hat mich schon ein wenig geärgert.« Andrea Henkel verlor durch zwei weitere Nachlader noch mehr Boden auf die Russinnen und schickte nach fehlerfreiem Stehendschießen Apel (Frankenhain) als Zweite mit 32,2 Sekunden Rückstand in die Loipe.
Die zweimalige Staffel-Olympiasiegerin von 1998 und 2002 offenbarte nach fehlerfreiem Liegendschießen Schwächen in ihrer »Wackel-Diziplin«. Beim Stehendanschlag verfehlte sie vier Scheiben und musste in eine Strafrunde. Apel hatte den Vorzug vor der als schussschwächeren Uschi Disl erhalten. »»Ich mache ihr keinen Vorwurf und stehe nach wie vor dazu, sie nominiert zu haben«, sagte Müssiggang. »Katrin ist das notwendige große Risiko eingegangen und hat sich dabei die Strafrunde eingehandelt.«
Bei 1:10,9 Minuten Rückstand auf die souverän führenden Russinnen ging Kati Wilhelm (Zella-Mehlis) auf die Strecke. Zwar gelangen ihr zwei makellose Schiessrunden, doch Albina Aachtaowa tat es ihr gleich und führte den Spitzenreiter zum Olympia-Sieg.
Erstmals war eine deutsche Staffel ohne Uschi Disl angetreten. Müssiggang hatte dies mit Disls Schwächen am Schiessstand begründet, die diese selbst als starke Läuferin kaum wettmachen könne. Die fünfmalige Olympia-Teilnehmerin beklagte sich darüber, dass die Entscheidung gegen sie bereits seit zwei Monaten festgestanden habe. Müssiggangs Aussage, er wolle ihr beim für sie chancenreichen Massenstart-Rennen am Samstag einen würdigen Olympia-Abschied ermöglichen, war für Disl »kein Argument.«

Artikel vom 24.02.2006