24.02.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Gefühle der Gestürzten
Rund
um die
Ringe
Von Friedrich-Wilhelm Kröger

Die »Bild« war wieder besonders böse. »Anni Blechinger« titelte das Boulevard-Blatt. Seit gestern steht fest, dass die Eisschnellläuferin aus Inzell auch kein Einzelgold bei diesen Olympischen Spielen mehr gewinnen wird. Ausgebrannt und am Ende ihrer Turin-Kräfte will sich Friesinger die Fünf-Kilometer-Qual zum Abschluss nicht mehr zumuten.
Wie gestürzte Favoriten sich fühlen, wissen nur sie selbst. »Das Leben geht weiter«, bemerkte Friesinger nach Platz vier über 1500 Meter, da lächelte sie tapfer in die Kamera. Aber andere Aufnahmen verdeutlichten, wie nah ihr das ging und wie weh es ihr tat. Anni Friesinger schluchzte. Dabei ist ihr italienisches Edelmetall-Aufkommen ja nicht zum Heulen: Team-Gold, Bronze über 1000 Meter. Andere hätten sowas auch gern. »Garniert« wird diese Sammlung allerdings von zwei nicht eingeplanten Holzmedaillen. Auch über 3000 Meter war der Bayerin der Zutritt zum Podest verweigert worden.
Vielleicht rührte es nicht allen das Herz. Die forsche Friesinger besitzt nicht gerade das leiseste Mundwerk, weiß sich geschickt in Szene zu setzen und ist einer einträglichen Vermarktung zugetan. Gold hilft besser als Silber, Bronze oder Blech. Wenn solche Stars vom Sockel gestoßen werden, gibt's gern noch einen Tritt hinterher. Das steht im Kleingedruckten der Spielregeln für den Umgang mit gefallenen Helden. Die haben nicht immer die volle Sympathie auf ihrer Seite.
Zuneigung ist oft das Privileg der Zurückhaltenden. Die machen Wirbel nur auf der Strecke - und niemals um sich selbst.

Artikel vom 24.02.2006