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Verzicht auf Schulbezirke
kann zu Engpässen führen

Dezernent Pohle: Stadt soll selbst entscheiden dürfen

Von Michael Schläger
Bielefeld (WB). Der Entwurf des neuen NRW-Schulgesetzes bereitet Bielefelds Schuldezernent Dr. Albrecht Peter Pohle Kummer. Darin soll die Aufhebung der Grundschulbezirke festgeschrieben werden. Dabei seien die Bezirke »eines der letzten Steuerungsinstrumente, das den Kommunen zur Verfügung steht«, meint Pohle und will sie wie seine Kollegen im NRW-Städtetag erhalten.

Die aus Bielefeld stammende Schulministerin Barbara Sommer (CDU) hält festgelegte Schuleinzugsbereiche für überholt. Jedes Kind soll vom Schuljahr 2008/2009 an einen Anspruch auf den Besuch der wohnortnächsten Schule erhalten. Gibt es freie Kapazitäten, können Eltern ihre Kinder künftig auch an jeder anderen Grundschule anmelden.
»Der Rechtsanspruch wird zu Kapazitätsengpässen an einzelnen Schulen führen«, fürchtet Pohle. Doch die kann der Schuldezernent überhaupt nicht gebrauchen. Zum einen steht angesichts leerer Kassen kein Geld für den Ausbau bestehender Grundschulen zur Verfügung. Zum anderen muss Pohle auch die Bevölkerungsentwicklung im Blick behalten. Schon gegen Ende des Jahrzehnts werden die Schulanfängerzahlen deutlich zurückgehen, kann mit Hilfe der Schulbezirkseinteilung dafür gesorgt werden, möglichst vielen der 47 Grundschulen die Schließung zu ersparen.
Die Grünen haben in den Bezirksvertretungen bereits eine Initiative gegen das neue Gesetz gestartet. Sie fürchten eine Ghettoisierung in einzelnen Grundschulen, wenn die Eltern künftig die freie Auswahl haben. So hat die Bückardtschule schon jetzt einen Ausländeranteil von 72,22 Prozent, die Josefschule von 57,7 Prozent. Auch an der Südschule in Brackwede stammt mittlerweile mehr als die Hälfte der Schulkinder aus Familien mit Migrationshintergrund. Kritiker des Gesetzentwurfes gehen davon aus, dass nach der Abschaffung der Schulbezirksgrenzen immer mehr deutsche Eltern ihre Kinder gar nicht erst an diesen Schulen anmelden, Schulen wie die in Theesen dagegen immer mehr Zulauf erhalten. Dort gibt es mit 2,71 Prozent die geringste Ausländerquote, gefolgt von Hoberge-Uerentrup, wo drei der 110 Kinder aus ausländischen Familien stammen (2,73 Prozent).
Schulministerin Sommer setzt dagegen auf die wohnortnahe Versorgung der Schulkinder. Die sei mit der gegenwärtigen Regelung nicht immer gegeben. So gibt es auch in Bielefeld Grundschüler, die weite Wege in Kauf nehmen müssen, obwohl die nächste Grundschule nur einen Steinwurf entfernt ist, aber einen anderen Schulbezirk versorgt. Auch sollen sich ähnlich wie bei den weiterführenden Schulen die Grundschulen über ihr Angebot besser profilieren können.
»In Schleswig-Holstein sind die Schulbezirksgrenzen aufgehoben worden«, sagt Andreas Rüther (CDU), Vorsitzender des Schulausschusses des Rates. Die großen Wanderbewegungen seien dort ausgeblieben. »Grundsätzlich ist jede Entscheidungsfreiheit zu begrüßen«, meint Dezernent Pohle. Aber vor allem in Großstädten könne diese Freiheit erhebliche Probleme verursachen. Deshalb pocht auch die Standesvertretung der großen Kommunen, der Städtetag, auf eine Änderung im Gesetz. Er favorisiert ein Modell, bei dem jede Kommune selbst entscheidet, ob die Schulbezirksgrenzen abgeschafft werden sollen.

Artikel vom 23.02.2006