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Jugend in der Schuldenfalle

Diakonie fordert Schulunterricht über den Umgang mit Geld

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). In Deutschland machen junge Leute immer häufiger Schulden. Fast jeder Dritte im Alter zwischen 13 und 26 steht mit bis zu 4000 Euro in der Kreide.

Das geht aus dem »Schuldenreport« hervor, den das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche, die Caritas, das Deutsche Rote Kreuz und der Bundesverband Verbraucherzentralen erstellt haben. Demnach unterschätzen Auszubildende oft die Kosten für Strom und Benzin und überschätzen gleichzeitig die Möglichkeiten, die ihr Gehalt eröffnet. Jugendliche besäßen »zu wenig Allgemeinbildung, wenn es um Finanzen geht«, sagte Gerda Marx-Manske gestern dieser Zeitung. Sie ist beim Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen in Münster für die Schuldnerberatung zuständig.
Die Zahl der verschuldeten jungen Leute nehme zu, und deshalb müsse der Umgang mit Geld bereits in der Grundschule und dann speziell in der Mittelstufe verstärkt zum Thema im Unterricht gemacht werden. »Schon jetzt fordern viele Schulen Mitarbeiter unserer Schuldnerberatungsstellen für den Sachkundeunterricht an«, berichtete Marx-Manske.
Die Diakonie betreibt 44 Beratungsstellen in Westfalen. Für weitere gebe es Bedarf, denn die Wartelisten würden immer länger, sagte die Referentin. Wenn Jugendliche mit 18 volljährig werden, schlössen sie oft Verträge ab, ohne deren Folgekosten richtig abzuschätzen. Wenn es ums Handy gehe, summierten sich Klingeltöne und SMS-Kurzmitteilungen zu beträchtlichen Kosten.
Auch der Soziologe der Universität Bielefeld, Elmar Lange, forderte gestern mehr Schulunterricht zum Thema Geld. Beauftragt von der Finanzauskunftei Schufa stellte er in Berlin seine Studie über Schulden bei Jugendlichen vor. Sechs Prozent der Jugendlichen unter 18 Jahren seien verschuldet. Dieses Phänomen ziehe sich durch alle sozialen Schichten, erläuterte Lange. Deshalb tue systematischer Unterricht in Finanzfragen not. Wer sich als Teenager verschulde, müsse aber nicht zwangsläufig auf der abschüssigen Bahn bleiben, relativierte Lange: »Man muss Verschuldung als normales Stadium in der Entwicklung hin zu einem marktkonformen Konsumenten akzeptieren - der fällt ja nicht vom Himmel.«
Dennoch droht mit der Volljährigkeit die Kostenfalle. »Der Nachwuchs geht bis zum Alter von 18 Jahren sehr verantwortungsvoll mit Geld um«, sagte Schufa-Chef Rainer Neumann. Danach stehe jungen Leuten plötzlich alles offen, auch die Möglichkeit Kredite aufzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt werde die Lage vielfach kritisch, betonte Neumann.
Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) sprach von einem alarmierenden Ausmaß der Verschuldung und kritisierte die Gleichgültigkeit von Müttern und Vätern: »Eltern bekunden zwar Interesse daran, dass ihre Kinder Finanzkompetenz erwerben, tun selbst aber zu wenig dafür.« Laut Schufa-Studie, für die 1000 Teenager von zehn bis 17 Jahren sowie jeweils ein Elternteil befragt wurden, gibt mehr als die Hälfte der Jugendlichen für Handys durchschnittlich 18 Euro im Monat aus. Eltern müssten für mehr Kostenbewusstsein sorgen, mahnt die Diakonie.

Artikel vom 23.02.2006