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»Aus Scham Hunger verschwiegen«

Landesmittelkürzung bedroht Mittagstisch für Kinder und Jugendliche

Von Ulrich Hohenhoff
(Text und Fotos)
Sennestadt (ho). Massive Eingriffe in die Kinder- und Jugendarbeit der drei Sennestädter Einrichtungen »Pia«, »Luna« und »Matthias-Claudius-Haus« (MCH) befürchtet Oliver Schwarz vom MCH, sollten die von der Landesregierung geplanten Mittelkürzungen Realität werden (das WESTFALEN-BLATT berichtete).

Beim Matthias-Claudius-Haus könnten keine Zivildienstleistenden oder Praktikanten mehr beschäftigt werden, weil bei dem ohnehin schon geschrumpften Etat das Geld nicht reicht. Oliver Schwarz: »Die Arbeiten müssten dann von pädagogischen Fachkräften mit übernommen werden. Damit bleibt weniger Zeit für deren eigentliche Aufgaben.« Dennoch versuche seine Einrichtung, »möglichst viele Angebote zu erhalten.« Bestimmte Aktivitäten könnten jedoch nicht mehr subventioniert werden. Schwarz: »Bei Ausflügen in einen Freizeitpark könnten wir nur den Transport übernehmen, verbilligten Eintritt gäbe es nicht mehr. Ohnehin benachteiligte Kinder und Jugendliche müssten dann passen.«
Von »großer Planungsunsicherheit« spricht auch Norbert Niermann vom »Luna«, dessen Einrichtung doppelt gebeutelt ist. Neben den Landesmittelkürzungen musste man auch noch die Reduzierung städtischer Mittel wegstecken. »Wir sind zwar bisher an Personalkürzungen vorbei geschrammt, aber irgendwann wird die Luft dünner.«
Dabei gehe es nicht nur um eine Einschränkung des Freizeitangebotes, sondern sehr konkret auch um die Teilnahme von Kindern und Jugendlichen am gemeinsamen Essen. »Als wir die täglichen Elternzuschüsse von 75 Cent auf einen Euro erhöhen mussten, fielen bestimmte Teilnehmer heraus, verzichteten auf die Mahlzeiten.«
Ähnlich Erschreckendes berichtet auch Christiane Schüttler vom »Pia« im Ortsteil Heideblümchen. »Wenn bei der Hausaufgabenhilfe Kinder und Jugendliche verschämt zu uns kommen und sagen ÝWir haben keinen HungerÜ, wissen wir, dass die Eltern nicht zahlen können.« Oliver Schwarz, der in Sennestadt Vertrauensmann der »Volksinitiative Jugend braucht Vertrauen - Jetzt!« ist, sieht mit den Kürzungen »echte gesellschaftliche Veränderungen einhergehen. Gerade die, die es nötig hätten, werden noch weiter benachteiligt.«
Gehofft hatten die Einrichtungen auf einen übergreifenden Förderverein, der im vergangenen Jahr gründet wurde. Viel ist daraus allerdings nicht geworden. Norbert Niermann: »Es hat sich keiner gefunden, der aktiv die Arbeit machen wollte.« Und so war die Resonanz auf Spendenbitten an Industrie, Handel, Handwerk und Bürger für den Förderverein eher mager. Nur zwei Spenden gab es für die offene Kinder- und Jugendarbeit in Sennestadt!
Deshalb hoffen die Verantwortlichen in »Pia«, »Luna«, und »MCH« auf den Erfolg der Volksinitiative, die die geplanten Kürzungen verhindern will. Norbert Niermann: »Bei der ersten Aktion haben Politiker aller Parteien zugesagt, die Kinder- und Jugendarbeit ab Januar 2006 wieder mit 96 Millionen Euro (Stand 2003) zu fördern. Dieser Betrag soll nun um 21 Millionen Euro gekürzt werden. Die Mitarbeiter der drei Sennestädter Einrichtungen kommentieren diese Entscheidung mit den Worten : »Einfach unfassbar!«.

Artikel vom 24.02.2006