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Katzen- und Hundehalter verunsichert

Vogelgrippe beschert Bielefelder Tierärzten viele Anfragen - Apotheker bleiben ruhig

Von Markus Poch
und Christian Albroscheit
Brackwede (WB). Seit die Vogelgrippe über Rügen nach Deutschland kam, ist sie bei uns das große Reizthema. Es steht fest, dass das tödliche Virus nicht nur auf Vögel, sondern auch auf Säugetiere übertragbar ist. Vor allem Katzen- und Hundehalter sind besorgt um ihre Lieblinge. Die heimischen Tierärzte müssen immer öfter Fragen zu möglichen Infektionsrisiken beantworten.

Muss ich meine Katze jetzt einsperren? Ist mein Hund sterbenskrank, wenn er an einer toten Taube geschnüffelt hat? - Mit solchen Fragen sehen sich Bielefelds Tierärzte in den vergangenen Tagen konfrontiert. Besonders groß war der telefonische Andrang bei Dr. Susanne Kozik an der Brackweder Hauptstraße. »Jeder zweite Anruf rankte sich darum. Die Leute sind extrem verunsichert«, sagt Tierarzthelferin Tanja Seidensticker. »50 bis 60 Anfragen hatten wir schon diese Woche.« Susanne Kozik wirkt in solchen Fällen beruhigend auf die Tierfreunde ein. »Im Moment muss man sich noch keine Sorgen machen«, erklärt sie. »Aber sollten Vogelgrippe-Fälle in der Region auftreten, würde ich sofort dazu raten, Katzen nicht mehr aus dem Haus zu lassen. Und so lange nicht eindeutig geklärt ist, ob auch Hunde infiziert werden können, würde ich jeden Hund unbedingt anleinen.«
Ähnliche Auskünfte erteilt auch die Praxis Dr. Ulrich Roose in Bielefeld. »Wir haben hier drei bis vier Vogelgrippe-Anfragen pro Tag. Viele wollen wissen, ob es einen Impfstoff für Katzen und Hunde gibt«, berichtet Tierarzthelferin Petra Niedermeyer. Weil der noch nicht auf dem Markt ist, empfiehlt sie besorgten Tierhaltern, die aktuelle Entwicklung der Krankheit und möglicher Medikamente über die Medien zu verfolgen.
Nur gelegentliche Anfragen zum Thema verzeichneten die Praxen Dr. Hettling in Brackwede und Brigitte Hosang in Sennestadt. »Von einer angeblichen Hysterie kann nicht die Rede sein«, sagt die Sennestädterin vom Salamanderweg. Sie verweist die wenigen Menschen mit Detailfragen direkt an das Veterinäramt. Dort wurde mit 0521 / 51 21 57 eine Notnummer eingerichtet, die direkt bei Amtsarzt Dr. Hans-Helmut Jostmeyer landet. Dort soll auch anrufen, wer Vogel-Kadaver findet.
Das Problem »Vogelgrippe« verunsichert aber nicht nur Tierfreunde, sondern auch die Veterinäre selbst. Denn die wissenschaftlichen Erkenntnisse um diese Viren-Erkrankung sind einfach noch nicht umfassend. Dr. Hans-Christian Auf dem Hövel, Tierarzt aus Senne, warnt davor, das so genannte »H5N1«-Virus zu unterschätzen: »Es ist und bleibt ein Influenza-Virus, das theoretisch, wenn es sich nur leicht verändert, auf alle Lebewesen übertragbar ist«, erklärt er.
»Ich kann deshalb nur an alle Geflügelhalter und -züchter appellieren, verantwortungsvoll damit umzugehen. Die Vogelgrippe ist eine tickende Zeitbombe, nichts anderes als eine Seuche. Da muss man sich nichts vormachen. Und es ist nur eine Frage der Zeit, wann sie auch bei uns in Ostwestfalen auftaucht. Viren verbreiten sich so schnell wie Brandwellen.«
Natürlich könnte die Vogelgrippe hierzulande auch bald für den Menschen infektiös sein, doch mit dieser Vision machen sich derzeit noch nicht viele Verbraucher verrückt. Wilfried Koke, Inhaber der Falkenapotheke und Vorsitzender des Apothekervereins Bielefeld, berichtet von durchschnittlich zwei Gesprächen am Tag, die er mit seinen Kunden über die Gefahren der Vogelgrippe führt. »Die Ärzte verschreiben jetzt nicht mehr Tamiflu (antivirales Medikament) als vor dem ersten Auftreten der Seuche auf Rügen«, sagt Michael Richter von der Elefanten-Apotheke in Brackwede. Lediglich nach dem ersten Auftreten der Seuche in Asien habe es eine erhöhte Nachfrage gegeben. »Derzeit gibt es keinen Grund zur Panik«, beruhigt Wilfried Koke. Außerdem seien alle notwendigen Maßnahmen für den Fall einer Pandemie ergriffen worden. Es gebe einen nationalen Pandemieplan und genügend eingelagerte Virostatiker (Medikamente gegen Viren), die im Notfall freigegeben würden.
Deswegen rät Thomas Busch, Inhaber der Busch-Apotheken, auch davon ab, Tamiflu oder Ähnliches einzulagern. Stattdessen empfiehlt er seinen Kunden, das eigene Immunsystem sorgsam zu stärken: »Jeder sollte viel Vitamine zu sich nehmen und Sport treiben.«

Artikel vom 24.02.2006