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Merkel verteidigt Ostländer

Streit um die Verwendung von Finanzhilfen zum Schuldenabbau

Halle (Reuters). Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ein schnelles Ende der Debatte um die Verwendung der Ost-Fördergelder in den neuen Bundesländern angemahnt.

Es sei nicht förderlich, wenn bei den Bürgern immer wieder der Eindruck entstehe, dass die ostdeutschen Bundesländer Geld einfach zweckentfremdet verwendeten, sagte Merkel am Freitag nach einem Treffen mit den Ost-Ministerpräsidenten in Halle. »Und deshalb müssen wir hier eine Lösung finden.«
Der für den Aufbau Ost zuständige Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) wies die Forderung von Thüringens Regierungschef Dieter Althaus (CDU) zurück, Finanzhilfen aus dem Solidarpakt auch zum Schuldenabbau verwenden zu dürfen.
Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt und ostdeutsche Bundestagsabgeordnete äußerten massive Kritik an den Plänen des Bundeswirtschaftsministeriums, die vorgesehenen Kürzungen bei der Regionalen Wirtschaftsförderung auch im Osten vorzunehmen. Merkel sagte nach den eineinhalbstündigen Beratungen mit den ostdeutschen Regierungschefs, die Diskussionen zwischen Ost und West um gegenseitige Abhängigkeiten könnten nur beendet werden, wenn das ganze Land verstehe, dass immer noch strukturelle Unterschiede überwunden werden müssten.
»Deutschland wird es insgesamt nur gut gehen, wenn es auch den neuen Bundesländern gut geht«, betonte die Kanzlerin. »Da sind wir ein ganzes Stück vorangekommen.« In der Runde bekräftigten die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten die gegenseitigen Verpflichtungen im Solidarpakt II, der bis 2019 für den Osten Fördergelder von insgesamt knapp 160 Milliarden Euro umfasst.
Die Regeln für die Berichterstattung über die Verwendung der Solidarpaktmittel sollten die Ministerpräsidenten zusammen mit Tiefensee weiter entwickeln, hieß es in einer Erklärung der Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt. Regierungschef Wolfgang Böhmer (CDU), der Ende März zur Landtagswahl antritt, erklärte, Ziel müsse es sein, die Fördermittel auf die für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung relevanten Felder zu konzentrieren und durch verbindliche Absprachen die Planungssicherheit für Investitionen in Ostdeutschland zu verbessern.
Sein thüringischer Kollege Althaus kritisierte, die Vorgaben für die Verwendung seien bisher zu eng. »Ich plädiere - wie der Sachverständigenrat der Bundesregierung - seit längerem dafür, auch die gewerbliche Investitionsförderung zu berücksichtigen und Solidarpaktmittel zur Schuldentilgung nutzen zu können«, betonte er.
Unterstützung bekam Althaus von Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Horst Rehberger. Dieser wies Vorwürfe der Grünen als Polemik zurück, wonach Sachsen-Anhalt zuletzt 90 Prozent der Fördermittel zweckentfremdet ausgegeben haben soll. Das Geld sei eingesetzt worden, um den Haushalt »einigermaßen im Lot« zu halten, erklärte der FDP-Politiker. Auch der CDU-Politiker Stratthaus sagte, es erscheine ihm vernünftig, die Zweckbindung der Mittel auf den echten Schuldenabbau zu erweitern. »2020 wird ein Land besser da stehen, wenn es einen ausgeglichenen Haushalt statt eines weiteren Schwimmbades hat«, sagte der baden-württembergische Finanzminister. Tiefensee betonte, die Fördermittel müssten größtmögliche Wirkung entfalten. »Aber wir dürfen den Begriff nicht so weit auslegen, dass die Schulden getilgt werden damit.« Der sächsische Regierungschef Milbradt beharrte darauf, im Osten auf Einschnitte bei der Regionalen Wirtschaftsförderung zu verzichten. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos hatte angekündigt, die Kürzung der Mittel von 700 Millionen auf 600 Millionen Euro anteilig auf die ostdeutschen Länder umzulegen.

Artikel vom 25.02.2006