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Aufruf des Naturschutzbundes Deutschland

»Zugvögel bitte nicht vorschnell zu Sündenböcken machen.«

Leitartikel
Mensch, deine Kreatur!

Flatterhaft
und
ohne Maß


Von Rolf Dressler
Alarmformel H5N1: Eigentlich, so könnte man meinen, haben Deutschland, Europa und die übrige aufgescheuchte Menschen-Welt doch nun wirklich schon alle Empfindungs- und Verwirrungsstufen durchlebt und durchlitten auf der nach oben wie unten offenen Betroffenheitsskala.
Die angeblich oder tatsächlich weithin unvorbereitete Politik bekam gehörig ihr Fett weg. Ihr von Ratlosigkeit angetriebener Aktionismus war nicht eben dazu an- getan, Vertrauen im Volke zu för- dern, dass man den Gefahren mit Verstand und Bedacht wehren könne.
Im Gegenteil, flatterhaft orientierungslos wie eine Hühnerschar führten sich viele Verantwortungsträger erneut auf, seit die Vogelpest, die heute als Vogelgrippe firmiert, vom fernen Asien aus Kurs auf unsere Breiten nahm. Es war gerade so, als kehrten die panisch-chaotischen Verhaltens- und Handlungsweisen aus der Zeit der Rinderseuche BSE nahtlos wieder. Dabei hatte die bestürzend unbeholfene Abwehrfront in Regierungsetagen, Fachverwaltungen und Wissenschaft aus jenen Erfahrungen doch eigentlich für künftige Krisenfälle lernen wollen.
Nirgendwo ist ein Wort des Mit- fühlens und des Mitleidens mit jenen ungezählten Tieren zu hören, die von dieser schrecklichen Seuche befallen und dahingerafft werden. Schon verbeugend stopfen Rollbeseitigungskommandos in gespenstisch anmutenden Schutzanzügen zum Beispiel in Indien, China und der Türkei binnen weniger Tage Millionen lebende und sogar noch gesunde Tiere in Plastiksäcke, als wären es verschimmelte Lebensmittel. Andere werden wie x-beliebige Gegenstände bei lebendigem Leibe in riesigen Gruben begraben.
Das, so wird es tatsächlich hin- gesagt, sei nun einmal »das kleinere Übel«. Beschämender können Abstumpfung und Gefühlskälte kaum zu Vorschein kommen. Schon unser Sprachgebrauch ist verräterisch genug: Viehhaltung wird als großagrarindustrielle Fleischproduktion gehandelt, Politiker und EU-Bürokraten reden wie selbstverständlich von Geflügel- und sogar von Käfigbeständen, von Hühnerbatterien und landwirtschaftlichen Tierfabriken, die angesichts der Vogelpest nun zu regelrechten Todesfabriken werden, weil der großmächtige Homo sapiens sich anders nicht mehr zu helfen weiß - bzw. dies zumindest vorgibt.
Achtung vor der Schöpfung, vor den schwer leidenden Mitgeschöpfen - auch hier leider wieder weithin Fehlanzeige. Nein, der Mensch verfügt über die Kreatur, exekutiert, wenn er's für nötig hält, wie am Fließband: ab ins Jenseits, weg mit Schaden!
Praktisch völlig totgeschwiegen wird der Frevel der gigantischen, vornehmlich auch von der Brüsseler EU-Mammutbürokratie fast wahnhaft subventionierten Massentierhaltung und deren Folgen: fortwährender Stress als Krankheitsauslöser Nummer 1 bei den sogenannten Nutztieren, usw.
Uns Menschen droht jedes Maß abhanden zu kommen. Einhalt scheint dringend geboten.

Artikel vom 25.02.2006