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Trüffel, Lakritz und ein
rebellischer Küchenchef
Uzès ist eine Perle unter den südfranzösischen Altstädten
Klein, aber fein: Uzès ist das Zentrum der Lakritzverarbeitung in Südfrankreich. Heute hat dort allerdings ein deutsches Unternehmen die Zügel in der Hand. Haribo produziert im Languedoc-Roussillion seine Spezialitäten. Im Mai 1996 wurde das »Musée du Bonbon« eröffnet, seitdem haben sich mehr als 100 000 Besucher in dem kleinen südfranzösischen Ort über die Geschichte der Lakritz-, Fruchtgummi- und Bonbonherstellung informiert.
In seiner Art ist das »Musée du Bonbon« mit Hunderten von alten Exponaten und Dokumenten einzigartig. Die Liebhaber und Freunde alter Werbeartikel aus der Zeit um die Jahrhundertwende können sich an einer großen Vielfalt von historischen Plakaten undÊ Verpackungen aller Art erfreuen. Anhand von alten Maschinen und Werkstätten wird dem Besucher anschaulich die Geschichte der Süßigkeiten erzählt.
Doch bekannt ist der hübsche Ort auch für seinen Kräuterplatz im Stadtzentrum. Trutzige Arkaden, abends effektvoll und zauberhaft beleuchtet, säumen ihn, sie spenden im Sommer kühlenden Schatten und schützen vor dem kräftigen Mistral-Wind. Trüffel-Geschäfte und Läden voller süßer Spezereien laden zum Schlemmen ein.
Uzès war lange ein Geheimtip unter den Südfrankreich-Reisenden. Es geht auch heute meistens noch recht beschaulich zu, auch weil der beste Gastronom des Städtchens, Jimmy Nival, sich weigert, im Restaurantführer »Guide Michelin« verewigt zu werden. Drei Sterne sollten sein Restaurant »Les Fontaines« schmücken - Nival lehnt das ab. Er will seine extravaganten Kochkünste nicht dem Diktat derer unterwerfen, die anonym über Töpfe, Keller und Personal wachen und deren Urteile er nicht immer nachvollziehen kann.
Neben dem historischen Stadtbild im Ganzen bietet Uzès viele kunsthistorische Juwelen. Zum Beispiel den Fenestrelle-Turm, der aus einem Ensemble aus Bischofspalast und Kathedrale herausragt und weit bis in die Provence Bedeutung hat. Es handelt sich um einen romanischen Turm, erbaut Ende des 11. Jahrhunderts. Er ist rund, verfügt über Fenster, dazu kommt der lombardische Einschlag im Baustil. Nach Art italienischer Campanile gehört der Glockenturm zwar zur Kirche, steht aber davon unabhängig. Über einem quadratischen Sockel folgen sechs runde Etagen jeweils in Form von Bogengängen.
Im Zentrum markiert das Schloss des Herzogs den Sitz einstiger weltlicher Macht, vom jetzigen Duc d'Uzès aber symbolträchtig wieder heraufbeschworen: Wann immer der Herzog in seinem Gemäuer weilt, ist das Personal gehalten, auf den Zinnen darüber die Flagge zu hissen. Finanziert wird solcherlei Traditionspflege über Eintrittspreise, bei deren Kalkulation Durchlaucht offenbar jegliches Augenmaß verloren hat. Weil das Sehenswerteste am Schloß ohnehin der Innenhof ist, kann man sich auch mit einem (kostenlosen) Blick dorthinein begnügen. Dort sollte man sich die schöne Renaissance-Fassade von 1565 zwischen dem Donjon und der Kapelle ansehen. Eine jüngst erfolgte Restaurierung lässt die reiche Deko mit Pilastern, Kolonnaden und Reliefs noch besser zur Geltung kommen. Man schreibt diese Fassade dem Architekten Delorme zu, der in Paris den Tuilerien-Palast baute. Zuweilen geruht der Herzog höchstpersönlich durch die Gemächer zu führen.
Dass die Herzöge zwar mächtig waren, diese Macht aber teilen mussten, dafür stehen symbolisch die drei Türme von Uzès: der Turm der Herzöge, der des Königs und der des Bischofs, einträchtig nebeneinander überblicken sie die Dächer des Ortes.
Von Uzès aus lohnt ein schneller Ausflug zum Pont du Gard, dem römischen Aquädukt aus dem ersten Jahrhundert. Gebaut wurde das Monument, um die Stadt Nîmes mit Wasser zu versorgen. Ein neues Besucherzentrum gibt sehr anschaulich Informationen darüber, wie dieses Bauwerk entstand. Auf der rechten Flussseite, die von der Brücke überspannt wird, lohnt der steile, zuweilen unbequeme Aufstieg auf den Berg, denn man kann einige Schritte durch einen römischen Wassertunnel gehen und auf der anderen Seite die stillen Waldwege genießen, auf denen es herrlich duftet. Die oberen Brückenbögen selbst dürfen nicht mehr betreten werden. Die Denkmalschützer lehnten es glückicherweise ab, den Pont du Gard entsprechend sicher umzubauen. Die Absperrungen allerdings hätte man dezenter und optisch schöner gestalten können.
Thomas Albertsen

Artikel vom 25.02.2006