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Markt und Wirtschaft

Im WM-Jahr zeigt der Fan Flagge für seine Elf

Drei Millionen in den Stadien, Milliarden vor den Fernsehern: Die Wirtschaft erliegt dem Fieber der Fußball-WM. Experten erwarten eine positive Wirkung auf den Konjunkturverlauf, wenn Klinsis Elf mindestens in die K.o.-Runde vordringt.


Der Sportökonom Prof. Bernd Frick hat versucht, die Wirkung der Fußball-Weltmeisterschaft auf die Wirtschaft in Zahlen zu fassen. Etwa 0,8 bis 0,9 Prozent werde dadurch das Bruttosozialprodukt in Deutschland höher liegen.
Wenn das stimmt, dann wäre fast die Hälfte des erwarteten Konjunkturzuwachses allein auf »König Fußball« zurückzuführen. Davon wird 2006 auch der Arbeitsmarkt profitieren: Von der Hostess bis zum Eisverkäufer werden Frick zufolge während der WM 80 000 bis 100 000 zusätzliche Arbeitskräfte benötigt.
Ein Großteil dieser Stellen wird voraussichtlich in der Tourismuswirtschaft geschaffen werden. Die Deutsche Zentrale für Tourismus erwartet ein Plus von 1,7 Prozent bzw. 4,8 bis 5,5 Millionen Übernachtungen durch die WM. Vor allem die zwölf Austragungsorte der WM erwarten viele Kurzreisende aus den europäischen Nachbarländern.
An jedes Fußballmatch schließt sich normalerweise eine dritte Halbzeit an. In ihr werden die Höhepunkte des Spiels noch einmal bei Bier oder Cola in der Kneipe oder im Gartenrestaurant diskutiert. Wenn das Wetter mitspielt, werden damit die Nächte zum Tag -Êund wir werden uns vielerorts vor den Großbild-Leinwänden fühlen wie Südeuropäer.
Was den Warenkonsum betrifft, so sorgte das WM-Fieber schon vor dem Weihnachtsfest 2005 für eine erheblich höhere Nachfrage nach großformatigen Breitbild-Fernsehschirmen. Dies könnte sich kurz vor der WM noch einmal wiederholen. Die Spiele werden im Breitbild-Format gesendet. Auf dem normalen Bildschirm erscheint deshalb bei ARD und ZDF oben und unten ein schwarzer Streifen. RTL sendet randlos, muss aber dafür rechts und links einen Teil des Bildes wegfallen lassen. Wenn das kein Kaufargument für einen größeren Schirm ist? Allerdings -Êmit fast den gleichen Hoffnungen auf einen WM-Effekt starten Samsung und LG Electronics just zu Beginn der Weltmeisterschaft das erste »Handy-TV« in Deutschland.
Einen sehr engen Bezug zum Fußball haben naturgemäß Sportartikel-Hersteller. Adidas wirft nicht nur den aktuellen WM-Ball in die Runde. Sollte sich Poldi zum WM-Torschützenkönig schießen, dann werden natürlich auch die Hersteller seiner Fußballschuhe profitieren.
Die WM ist traditionell der Zeitpunkt, an dem viele für ihr Land Flagge zeigen. Darüber freuen sich die Hersteller von Fahnen ebenso wie die von Mützen oder Sporttrikots. Auch normale T-Shirts und Badetücher, Tischdecken und Sonnenschirme vermarkten sich im WM-Jahr besser mit Fußball-Motiven. Selbst die Verlage, die Wörterbücher drucken, lassen ihre Rotationsmaschinen vor der Weltmeisterschaft etwas länger laufen.
In Ostwestfalen geht die Liebe zum Fußball durch den Magen. Pünktlich zum WM-Jahr präsentierten die Versmolder Privat-Fleischerei Reinert und Nationalspieler Gerald Asamoah neue Fußball-Würstchen der Marke Mini-»Snäkx«. Auf der anderen Seite hüllt Meybona (Löhne) seine leckere Schokoladetafeln in lustige Fußball-Hüllen. Manche nehmen ein bisschen das Fan-Verhalten vor der Glotze humorvoll aufs Korn. Die großen Bierbrauer halten sich, was ihre WM-Pläne betrifft, noch bedeckt. Man darf also gespannt sein.
Die meisten Fußball-Fans gibt es wohl in der Werbewirtschaft. Etwa drei Milliarden Euro fließen im WM-Jahr in Deutschland zusätzlich ins Marketing. In der ersten Reihe stehen dabei die »offiziellen Partner« des Weltfußball-Verbandes FIFA. Für 40 Millionen Euro dürfen Adidas, McDonald's, Yahoo und zwölf weitere Konzerne weltweit mit dem WM-Logo werben. Das gleiche Recht nur für den deutschsprachigen Raum erwarben Post, Bahn und einige andere für 13 Millionen Euro. Dazu kommen noch Einzelverträge für bestimmte Produktgruppen. So sicherte sich die Gütersloher Medienfabrik, eine Tochterfirma des Bertelsmann-Unternehmens Arvato, das Recht auf alle offiziellen Druck-Medien. Dazu zählen neben WM-Buch, Malheften mit Maskottchen »Goleo«,Ê der Zeitschrift »Countdown« und vielem mehr auch das WM-Stadionmagazin.
Die Bahn wird übrigens noch vor der WM an allen Austragungsstätten »Fußballfeste« ausrichten. Dazu soll auch der legendäre »WM-Zug« zum Einsatz kommen, mit dem 1954 die »Helden von Bern«Êin die Heimat zurückfuhren.
Heute setzen sich die Stars lieber ins Flugzeug. Passend dazu hat Lufthansa einigen seiner Fieger einen Fußball auf die »Nase« gemalt -Êganz ohne Gebühr übrigens.

Ein Beitrag von
Bernhard Hertlein

Artikel vom 01.03.2006