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Gruppengegner Costa Rica

Die »Ticos« haben viel vor

Der Weg zur Weltmeisterschaft war lang und steinig. 18 Spiele musste Costa Rica bestreiten, ehe die Mittelamerikaner die Fahrkarten nach Deutschland sicher hatten. 18 Spiele, von denen aber weniger als die Hälfte gewonnen wurden.


Wer die Qualifikation des deutschen Auftaktgegners genauer überprüft, staunt sogar: Siege und Niederlagen halten sich die Waage, 7:7 steht dieses »Duell«. Nicht gerade berauschend, trotzdem wurde am Ende in San José gejubelt und gefeiert: Zum dritten Mal nach 1990 und 2002 ist die Nationalauswahl des kleinen Landes bei einem WM-Turnier dabei.
Und unterschätzen sollte man sie besser nicht: Vor 16 Jahren in Italien erreichte Costa Rica das Achtelfinale. Vor vier Jahren in Japan und Südkorea war zwar schon nach der Vorrunde Feierabend - allerdings nur aufgrund der schlechteren Tordifferenz im Vergleich mit dem späteren WM-Dritten Türkei.
Coasta Ricas Nationaltrainer Alexandre Guimaraes geht davon aus, dass dies in Deutschland nicht passiert und sein Team weiterkommt. »Wir werden eine gute Weltmeisterschaft spielen«, kündigt er an. Der 46-Jährige sitzt schon zum zweiten Mal als verantwortlicher Mann auf der Bank, die er nach der letzten WM freiwillig geräumt hatte. Seinen Auftrag sah er als erfüllt an.
Aber nach dem schwachen Start in die Qualifikation für 2006 musste Guimaraes dem Drängen des Verbandes nachgeben. Der gebürtige Brasilianer, vor 22 Jahren eingebürgert, brachte es nicht über das Herz, die »Ticos« im Stich zu lassen. Der Erfolgscoach kehrte zurück. Seine Vorgänger Steve Sampson und Jose Luis Pinto waren gescheitert.
Um sich an Deutschland zu gewöhnen, nehmen sich Guimaraes und seine Auswahl ungewöhnlich viel Zeit. Schon Mitte Mai wollen sie ihr WM-Quartier in der Nähe von Heidelberg aufschlagen. Gegen Ecuador und Polen sollen die nötigen Punkte zum Einzug ins Achtelfinale geholt werden. Und gegen den Gastgeber sieht Guimaraes immerhin eine Außenseiterchance. »Den Druck haben die Deutschen und nicht wir«, sagt er.
Ernst genommen wird Costa Rica allemal. Der Cheftrainer des Deutschen Fußball-Bundes höchstpersönlich will den Gegner noch beobachten. Das liegt bei Jürgen Klinsmann natürlich auch an den geografischen Gegebenheiten. Als Wahl-Kalifornier erreicht er die von Honduras und Panama begrenzte Republik von seinem Wohnort Los Angeles aus schneller als der DFB-»Spion-Stab«.
Starkicker Costa Ricas, in dem vier Millionen Einwohner leben, ist Paul Cesar Wanchope, der nach seinen zehn Wanderjahren in England, Spanien und Katar nun wieder in seiner Heimat Fußball spielt. Der 29 Jahre alte Stürmer denkt genauso wie sein Trainer: »Wir können jedem Gegner gefährlich werden.«
Dabei sein werden in Deutschland etwa 10 000 Fans, sie werden sicher für ein Spektakel sorgen und den »Ticos« beim Toreschießen die Daumen drücken. Zuhause hofft die Bevölkerung ebenfalls auf Festspiele mit Costa Rica. Und dass die Mannschaft ihre Reiseerlaubnis für die Endrunde in Deutschland fast schon frühzeitig gegen das drittklassige Kuba oder anschließend gegen Honduras verspielt hätte, ist längst vergessen.


Ein Beitrag von
Friedrich-Wilhelm Kröger

Artikel vom 01.03.2006