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Detering: »Dürfen die
Metzelei nicht zulassen«

Geflügelzüchter bestürzt über Debatte um Vogelgrippe

Von Gerhard Hülsegge
(Text und Foto)
Bielefeld (WB). Bielefelds Rassegeflügelzüchter haben keine Angst vor der Vogelgrippe. Sie fürchten etwas Anderes: Die Tötung wertvollen Tierbestandes, sollte das gefährliche H5N1-Virus die Teutostadt erreichen. »Impfen statt keulen« fordert deshalb Wilfried Detering.

Der Vorsitzende des Stadtverbands der Geflügelzüchter, Vorstandsmitglied des Bundes der Rassegeflügelzüchter Deutschlands und internationale Preisrichter: »Es geht um den Erhalt oder die Vernichtung alten Kulturgutes.« Viele der rund 600 Mitglieder in den 20 Ortsverbänden des Stadtgebietes hätten mehr als ein halbes Leben lang darauf verwendet, edle Rassen, die es zum Teil seit 500 Jahren und länger gibt, vor dem Aussterben zu bewahren. Sie würden mit einer so genannten Keulung (Abtötung) allesamt zerstört werden. Detering wörtlich: »Diese Metzelei dürfen wir nicht zulassen.«
»Momentan werden alle verrückt gemacht«, versteht der 66-Jährige, der selbst Hühner verschiedenster Farbschläge besitzt und sieben Bücher geschrieben hat, die Aufregung um die Vogelgrippe nicht so ganz. »Bislang ist schließlich noch kein Fall bekannt, bei dem Haustiergeflügel von dem Grippevirus befallen wäre«, so Detering.
Natürlich verfolgen er und seine Züchterkollegen die Vorgänge in Mecklenburg-Vorpommern mit höchsten Interesse. Schließlich geht es für sie auch um viel Geld. Kostet ein normales Durchschnittshuhn zehn Euro, so legen Interessenten aus Japan, Peru oder den USA für den Westfälischen Totleger, Vorwerk-Exoten oder Moderne englische Zwergkämpfer schon mal bis zu 5000 Euro auf den Tisch.
70 bis 80 Rassen sieht Detering akut gefährdet, sollte die Vogelgrippe Nordrhein-Westfalen erreichen und die Tötungsmaschinerie für sämtliches Geflügel wie in Mecklenburg-Vorpommern bundesweit in Gang gesetzt werden. »Besser wäre es, wir folgten dem Beispiel Chinas und auch Frankreichs und ließen die Tiere schon jetzt durch Veterinäre flächendeckend impfen«, sagt der bei den Medien seit Monaten gefragte Experte unter den bundesdeutschen Geflügelzüchtern. 120 Tiere, inzwischen alle unter Dach, nennt er sein Eigen. Dass sie von der Vogelgrippe heimgesucht werden, glaubt er kaum.
»Tititititi« - auf dieses Kommando trippelt nicht nur der Moderne englische Zwergkämpfer gehorsam in den Stall. Damit das so bleibt, plädiert Detering für eine von der Europäischen Gemeinschaft (EU) koordinierte Impfaktion. Dabei würden die Tiere absichtlich mit dem H5N1-Virus infiziert, um Antikörper zu bilden. »Wenn alle geimpft sind, kann sich keiner mehr anstecken«, so die Logik. Dass die Ausscheidungen anschließend nicht frei von Viren sind, ist für Detering zweitrangig. Außerdem sei ein neuer, besserer Impfstoff bereits in Arbeit.
Am Obersee die Enten nicht mehr zu füttern (»dann verhungern sie«) hält er für ebenso absurd wie die Entsorgung der Kadaver auf Rügen in Abfalleimer. »Wir brauchen das Geflügel«, sagt Detering, »nicht nur als größten Eiweißproduzenten für den Menschen.« Von einer Gefährdung des Menschen sei man - anders als in Asien - in Deutschland auf Grund eines sehr hohen Hygienestandards weit entfernt. Laut Detering verläuft die aktuelle Diskussion denn auch in falschen Bahnen. »Da profilieren sich Leute, die Enten von Gänsen nicht unterscheiden können«, hat er nicht zuletzt in Bielefeld festgestellt.
Unterdessen laufen die Brutmaschinen wieder auf Hochtouren. Und Detering ermuntert seine Züchterkollegen, die Glucken zurzeit wie gewohnt auf die Nester setzen. Geht es doch nicht nur um das Osterei, sondern um das Recht, auf natürliche Weise einem Hobby zu frönen, das Jung und Alt seit Generationen fasziniert.

Artikel vom 22.02.2006