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Autodiebe arbeiten wie am Fließband

Mehr als 100 neuwertige Wagen gestohlen, umfrisiert und nach Osteuropa verschoben

Von Christian Althoff
Rahden (WB). Wegfahrsperren, Alarmanlagen - nichts hat eine weißrussische Autoschieberbande stoppen können, bis die Kripo Minden die Täter nach einem Zeugenhinweis in Rahden auffliegen ließ. »Wir nehmen an, dass die Bande mehr als 100 Autos nach Osteuropa verschoben hat«, sagt Oberkommissar Klaus Bohla.
Kuriere fuhren die gestohlenen Autos mit Kennzeichen aus Weißrussland nach Osteuropa.
Es war eine Nacht im Juli 2005, als der Besitzer eines VW Buli T 4 aus Kirchlengern (Kreis Herford) den Diebstahl seines Autos bemerkte. Er nahm noch die Verfolgung der Täter auf, doch sie hängten ihn ab. Sein nahezu neuer VW blieb verschwunden - bis sich im August ein Zeuge bei der Polizei meldete. Ihm war beim Spazierengehen in Rahden aufgefallen, dass in einem früheren Stall die Fenster verdunkelt waren und Männer dort an einem Geländewagen schraubten. Als Polizisten das frühere landwirtschaftliche Anwesen aufsuchten, waren die Verdächtigen gerade zum Mittagessen. In dem zur Autowerkstatt umfunktionierten Stall entdeckten die Beamten fünf Toyota-Geländewagen, einen Mercedes CL 500 und den VW Buli. Alle Fahrzeuge waren gestohlen. Noch am selben Tag konnten drei Weißrussen festgenommen werden, der mutmaßliche Bandenboss (28) entkam.
»15 Monate lang haben die Männer in Rahden gestohlene Wagen umfrisiert und von hier aus nach Weißrussland verschoben«, sagte Kriminaloberkommissar Klaus Bohla, der zusammen mit sechs Kollegen ein halbes Jahr gegen die Gruppe ermittelt hatte und gestern die Ergebnise präsentierte. Die meist neuwertigen Autos hatten die Täter in Ostwestfalen und Niedersachsen erbeutet. »Sie öffneten die Türen mit sogenannten Polenschlüsseln - Schlüsselrohlingen, die ins Schloss gesteckt und mit einem Schraubenschlüssel gewaltsam gedreht werden. Dann bauten sie entweder in Windeseile eine neue Wegfahrsperren-Elektronik ein, oder sie manipulierten die Elektronik mittel eines Computers, um den Wagen starten und stehlen zu können«, erklärte Hauptkommissar Rüdiger Kleine. Nachdem die Autos in Rahden untergestellt waren, suchten die Täter im Internet nach Händlern, die entsprechende Wagen anboten. Sie gaben sich als Interessenten aus und ließen sich die Fahrzeugbriefe faxen. »Die Daten aus diesen Papieren übertrugen die Diebe dann auf die gestohlenen Wagen, und zwar so perfekt, dass sie wahrscheinlich bei keiner Polizeikontrolle aufgefallen wären. In einem Fall konnten wir einen gestohlenen Wagen nur noch anhand einer Bibel identifizieren, die im Handschuhfach gelegen hatte. Das Auto war einem Pastor gestohlen worden«, sagte Rüdiger Kleine.
Die Bande ließ sich nicht nur in Weißrussland Bleche mit den entsprechenden Fahrgestellnummern anfertigen (bei Toyota sind die Nummern nicht eingeschlagen, sondern gefräst), sondern tauschte auch Aufkleber mit Fahrgestellnummern aus, die die Hersteller im Innenraum versteckt anbringen. Die Täter ließen sich zudem aus Weißrussland perfekt gefälschte Papiere für die Autos schicken. Dann befestigten sie weißrussische Kennzeichen an den Wagen und ließen sie von Kurieren über Finnland, die Ukraine oder Tschechien in ihre Heimat bringen. Auf einige gestohlene VW T 4 hatten die Diebe zur Tarnung russische Firmennamen in kyrillischer Schrift geklebt. »Die Bande arbeitete wie am Fließband«, sagte Oberkommissar Klaus Bohla. »Meist waren zehn gestohlene Wagen gleichzeitig in Arbeit.«
Zwei Kuriere der Bande sind inzwischen in Finnland und Hannover gefasst und vor Gericht gestellt worden, sie sitzen ihre Strafen ab. Die drei in Rahden festgenommenen Täter Sergej M. (21), Valerij Z. (29) und Vitalij D. (29) schweigen und warten derzeit in der U-Haft auf ihren Prozess. Bohla: »Anhand von Fingerabdrücken, DNA-Spuren und anderen Indizien können wir ihnen den Diebstahl, das Umfrisieren und Verschieben von 32 Autos nachweisen - auch wenn wir davon ausgehen, dass mehr als 100 gestohlene Wagen auf das Konto dieser Bande gehen.«

Artikel vom 22.02.2006