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UNO fordert Chancengleichheit

Sonderberichterstatter hält »frühe Verteilung« der Schüler für falsch

Berlin (dpa). Deutschland muss nach Auffassung des UNO-Menschenrechtsexperten Vernor Muñoz mehr für die Bildung von Ausländerkindern und Schülern aus armen Elternhäusern tun.
Wenn diese Kinder nicht bessere Bildungschancen erhielten, würden Armut und soziale Ungleichheit weiter verschärft, sagte Muñoz gestern zum Abschluss seiner Inspektionsreise durch deutsche Kindergärten und Schulen. Kritische Anmerkungen machte er auch zum Bildungsföderalismus.
Dagegen lobte er die Debatte über frühe Bildung schon im Kindergarten, dessen Besuch aber kostenfrei sein sollte.
Der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen (UNO) kritisierte die in Deutschland übliche »sehr frühe« Verteilung von zehnjährigen Kindern auf Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien, wodurch herkunftsbedingte Nachteile noch verstärkt würden. Deutschland sollte deshalb eine offene Debatte »über Struktur, Inhalte und Organisation« seiner Schulen führen. »Das volle Potenzial der Kinder wird nicht ausgeschöpft. Die Bildung in Deutschland bezieht nicht alle ein.«
Studien hätten zudem gezeigt, dass bei Zehnjährigen sich nahezu jede zweite Schulform-Zuweisung durch die Lehrer später als falsch herausstelle. Eine Schulform-Aufteilung bereits von zehnjährigen Kindern gibt es nur noch in Deutschland und Österreich. In allen anderen Staaten gehen die Kinder länger gemeinsam zur Schule. Der internationale PISA-Test hatte gezeigt, dass in keinem anderen Industriestaat die Abhängigkeit von Bildungserfolg und sozialer Herkunft so groß ist wie in Deutschland.
Muñoz versicherte, er habe bei seinen Gesprächen den Eindruck gewonnen, dass der »PISA-Schock« in Deutschland Bildungsreformen ausgelöst habe. Es gebe ein Bildungssystem »vor und nach PISA«. Gleichwohl sehe er Probleme. Als erstes werde er Deutschland bitten, Vorbehalte gegen die UNO-Kinderrechtskonvention zurückzuziehen und älteren Flüchtlingskindern über 16 Jahre und Jugendlichen ohne Papiere einen Schulbesuch zu ermöglichen.
Kritisch äußerte sich Muñoz zu den wachsenden Befugnissen der Bundesländer in der Bildung. »Der Bund verliert die Möglichkeit, eine Einheit der Lebensverhältnisse zu sichern.«
Der Vize-Präsident der Kultusministerkonferenz, Berlins Schulsenator Klaus Böger (SPD), kündigte für Anfang März eine Länder-Initiative an, die die Rechte von Flüchtlingskindern bis zum 18. Lebensjahr sichern soll. Zur Frage der Schulstruktur und der frühen Aufteilung der Kinder sagte Böger: »Dies ist ein Thema, das will ich nicht negieren.«
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Artikel vom 22.02.2006