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Portugals Elf wohnt in marienfeld

Dieser Hotelier hat die WM
nach Ostwestfalen geholt

Nirgendwo in Ostwestfalen kann die Fußball-Weltmeisterschaft so hautnah erlebt werden wie in dem kleinen Ort Harsewinkel-Marienfeld. Dort, im Kreis Gütersloh, wird die portugiesische Nationalmannschaft am 4. Juni ihr Quartier beziehen.


20 Jahre, nachdem Uli Stielike für Real Madrid gespielt hat, klopfen sie ihm in der spanischen Hauptstadt noch immer anerkennend auf die Schulter. »Uli war mein Türöffner«, erzählt Hotelier Reinhold Frie (45) aus Marienfeld, der zusammen mit seinem Freund die ansonsten abgeschotteten Physiotherapie-Räume von Real besichtigen durfte. »Ich habe viel gelernt und für unser Hotel übernehmen können. Das kommt jetzt unseren Gästen zugute«, sagt der sportbegeisterte Gastronom. Er wird während der WM die portugiesische Nationalmannschaft beherbergen und hat damit ein Stück Fußball-WM nach Ostwestfalen geholt.
»Vier runde Tische, vier Zimmer und ein Haufen Dreck« antwortet Reinhold Frie schmunzelnd, wenn man ihn nach dem Ursprung des Hotels »Klosterpforte« fragt. Für 52 600 Mark hatten sein Vater und seine Großmutter 1953 eine heruntergekommene Schänke auf dem Gelände des 800 Jahre alten Zisterzienserklosters Marienfeld ersteigert. Eine Schänke, aus der längst ein Luxushotel mit bis zu 100 Mitarbeitern, 310 Betten und einer 140 000 Quadratmeter großen Parklandschaft geworden ist. Michail Gorbatschow, Herbert Grönemeyer, Rudi Völler, Gerhard Schröder - die Liste der Prominenten, die hier schon gewohnt haben, ist lang. Vor allem Fußballmannschaften sind es, die immer wieder das idyllisch gelegene Hotel buchen, weil die »Klosterpforte« über zwei eigene Trainingsplätze verfügt. So war 2003 auch der FC Porto zu Gast - zu einem Trainingslager, bei dem sich Reinhold Frie und der damalige Porto-Trainer Jose Morinho angefreundet hatten, was dem Hotelier in den folgenden Jahren in Portugal viele Türen geöffnet hat. »Für die Portugiesen stand deshalb seit langem fest, dass sie während der WM in Marienfeld wohnen wollen.«
Neben den Fußballplätzen auf dem Hotelgelände schätze National-Trainer Luiz Felipe Scolari die familiäre Atmosphäre der »Klosterpforte«, und auch die nur wenige Schritte entfernte Klosterkirche habe eine Rolle gespielt: »Scolari ist, wie viele Portugiesen, sehr gläubig und wird dort bestimmt das ein oder andere mal Ruhe suchen«, sagt Reinhold Frie.
Den Vertrag mit dem Weltfußballverband FIFA zur Beherbergung der National-Elf hat Reinhold Frie seit Anfang Dezember in der Tasche. »Das ist wahrscheinlich die Krönung für einen Hotelier«, sagt er. Damit sich auch die Portugiesen in Ostwestfalen königlich fühlen, herrscht seit Wochen Hochbetrieb rund um die »Klosterpforte«. Etwas abgesetzt von den historischen Gebäuden lässt Frie gerade in Rekordzeit ein neues 42-Betten-Sporthotel bauen, in dem die Selecção, die portugiesische National-Elf, wohnen wird. »Die Spieler werden hier alle Annehmlichkeiten vorfinden, die ich bei Real Madrid erleben durfte«, erzählt Frie. Das gesamte Tiefgeschoss des Hotels dient der Erholung der Kicker. Es gibt eine Sauna, ein Eiswürfelbad, ein türkisches Dampfbad, ein Elektrobad, einen Fitnessraum mit genau den Geräten, auf denen die Portugiesen auch zu Hause trainieren, sowie Räume für den Mannschaftsarzt und die Physiotherapeuten. Im Erdgeschoss können die Spieler Billard spielen, im Internet surfen oder von einer Terrasse aus in einen riesigen Badesee springen.
Darauf werden Fans allerdings nur von Weitem einen Blick erhaschen: »Die FIFA hat ein Berliner Sicherheitsunternehmen beauftragt, das Sporthotel abzuschirmen«, sagt Frie. Trainer Scolari bestehe auf absoluter Ruhe für seine Spieler. »Und die werden sie bei uns bekommen.« Scolari habe allerdings auch angekündigt, dass sich seine Kicker in Marienfeld nicht vor der Öffentlichkeit verstecken werden. »Die vielen tausend Fans, die aus Portugal anreisen, bekommen bestimmt den einen oder anderen Star zu Gesicht.« Und damit die Gäste der »Klosterpforte«, die während der WM geöffnet bleibt, im Ernstfall auch stilecht grüßen können, werden von Juni an die wichtigsten portugiesischen Redewendungen auf den Speisenkarten des Hotels zu finden sein.
Ein Mitglied des National-Teams wird übrigens schon in diesem Monat anreisen: Mannschafts- und Sterne-Koch Hélio Loureiro. Er wird in der Küche des neuen Hotels zusammen mit »Klosterpforten«-Küchenchef Karl-Heinz Mersmann zur Probe portugiesische Spezialitäten zaubern und sich dabei von einem Fernsehsender seines Heimatlandes in die Töpfe schauen lassen: »Das wird dann live ins fußballbegeisterte Portugal übertragen!«, schmunzelt Reinhold Frie kopfschüttelnd. Während der Koch das Gemüse bei ostwestfälischen Bauern einkaufen lässt, will er auf den Fisch aus seiner Heimat nicht verzichten: »Den lässt er während der WM täglich frisch einfliegen«, sagt Reinhold Frie, der Luis Figo und dessen Mannschaftskollegen schon im Viertelfinale sieht. »Mindestens!«

Ein Beitrag von
Christian Althoff

Artikel vom 01.03.2006