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Ohne Zeitung, ohne Zuschauer


Von Jörg Ludewig
Mit 60 Jahren sehen manche schon ganz schön alt aus! Ich freue mich, dass das WESTFALEN-BLATT heute frisch, dynamisch und vor allem sportlich wie eh und je erscheint.
Als Profisportler bin ich manchmal weniger als 50 Prozent des Jahres zu Hause. Deshalb ist es für mich besonders wichtig, mich innerhalb der kurzen Stippvisiten in der Heimat auf den neuesten Stand zu bringen.
Dafür nutze ich unter anderem das WESTFALEN-BLATT gern als Morgenlektüre. Und es gibt zwei Gründe, warum ich ungern auf diese Morgenlektüre verzichten würde:
Zum einen ist ein Frühstück ohne Zeitung wie Radrennen ohne Zuschauer. Es lohnt sich einfach nicht! Auch der giftige Gesichtsausdruck meiner Freundin, der mir sagen will: »Schatz, unterhalt' dich doch mal mit mir!« ist klassisch für die morgendliche Idylle. Erst wenn sie den internationalen Zeitungsteil in Händen hält, herrscht wieder Ruhe.
Klar, der Blick auf die Wettervorhersage ist in der Regel wenig erfreulich. Egal, bei dem berühmt-berüchtigten Radrennen Paris-Roubaix über 250 Kilometer mit 50 Kilometern Kopfsteinpflaster fragt auch keiner nach dem Wetter. Wir müssen auch fahren, wenn es stürmt und schneit und außer uns total verstrahlten Radfahrern kein Mensch auf die Idee kommen würde, einen Fuß vor die Haustür zu setzen.
Besonders freue ich mich morgens über einen umfangreichen, gut sortierten Sportteil. Der zweite Grund, warum ich gern das WESTFALEN-BLATT lese.
Einen Artikel zum Radsport findet man dank der eifrigen Sportredaktion fast immer. Interessant sind dabei für mich nicht ausschließlich die großen Radrennen, sondern auch die lokalen Sportereignisse. Ich möchte natürlich gern wissen, wenn zum Beispiel mein Nachwuchsteam Erfolge erzielt. Ein Artikel über einen Sieg in der Zeitung ist auch immer eine schöne Wertschätzung für die Anstrengungen. Denn Sport ist nicht nur Spaß - oft stecken auch Druck, Schmerz und Enttäuschung dahinter. Spaß machen am Ende der Erfolg und das Gefühl, etwas geleistet zu haben.
Auch Freunde wie Malte Urban und David Dudek sehe ich natürlich gern in der Zeitung. Das hat auch einen anderen Anreiz. Für uns Sportler sind Presseartikel die Quelle unserer Popularität. Mit jedem Artikel erhöht sich die Chance auf Sponsorenverträge. Da schließt sich der Kreis - ohne eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit bleibt auch der schönste Erfolg unbekannt.
An dieser Stelle möchte ich mich recht herzlich für die regelmäßigen Berichterstattungen über meine Person bedanken. Die Begleitung während der Tour de France mit dem Tourtagebuch, die Artikel anlässlich der Willkommensparty in Steinhagen bei meiner Rückkehr aus Frankreich und all die anderen großen und kleinen Berichte prägen das Bild von mir in der Öffentlichkeit.
Wie wichtig uns Sportlern auch die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Informationen sind, wird oftmals unterschätzt. Wenn man nicht unbedingt durch peinliche Auftritte von sich reden machen möchte, sollte man ein Mindestmaß an Allgemeinwissen mitbringen. In Interviews wird häufig auf aktuelle weltpolitische Ereignisse oder auch auf Lokalnachrichten Bezug genommen. Ähhs und Ähhms zeugen dann meist von Unkenntnis und machen keinen guten Eindruck.
Wenn ich lange nicht zu Hause war, sind es allerdings eher die Nachrichten der Region, die mir fehlen. Der Blick in den Lokalteil des WESTFALEN-BLATTES schafft Abhilfe. Auch diese Art Recherche gehört zu meinem Beruf. Vielleicht ist die Boulevardpresse ein wenig unterhaltsamer und auch ein wichtiger Bestandteil der Medienlandschaft, aber vor diesem Hintergrund wenig hilfreich. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich mit Politikern, Unternehmern oder anderen Prominenten der Region unterhalte, ist sicherlich höher als eine Unterhaltung mit den Madonnas und Brad Pitts dieser Welt. Stellen Sie sich vor, Sie begrüßen den Landrat des Kreises Gütersloh bei der Sportlerehrung des Altkreises Halle/Westf. mit den Worten: »Wo finde ich denn bitte Herrn Adenauer - ach, und könnte ich bitte noch ein Glas Wasser bekommen?«
Besonders peinlich, denn für mich ist meine Heimat der Ursprung meines Erfolges. Nur durch die Unterstützung der Region, der Presse, der Fans und Sponsoren der Umgebung sowie natürlich meiner Familie darf ich heute »Magenta« tragen. Zu verdanken habe ich dies sicherlich unter anderem der Verbundenheit mit OWL.
Und verbunden bleibt man nur, wenn man sich mit den Themen und Menschen identifiziert und informiert. Auch das WESTFALEN-BLATT verschafft einen guten Überblick und hält mich ständig auf dem Laufenden. Dafür sage ich Danke und wünsche weiterhin viel Erfolg.

Artikel vom 15.03.2006