27.02.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Der wütende Wörns:
»Link und scheinheilig«

Kapitän von Bord und andere Dortmunder Verlierer

Von Klaus Lükewille
Bielefeld (WB). Was für eine Bilanz: 78 Prozent seiner Zweikämpfe gewann Christian Wörns in Bielefeld. In einem »Duell« kann der Dortmunder Abwehrspieler aber nicht mehr als Sieger vom Platz gehen: Bundestrainer Jürgen Klinsmann hat ihm die Rote Karte gezeigt.

Dabei war die Leistung des BVB-Kapitäns bei der 0:1-Niederlage wieder einmal absolut länderspielreif. Und so sah das auch der gestrichene WM-Kandidat: »Ich bin der beste deutsche Abwehrspieler.« Da ist Klinsmann allerdings anderer Meinung, er kippte Wörns endgültig aus dem Kader.
Der Verteidiger wurde deshalb in Bielefeld zum bissigen Angreifer. Da ging er hart zur Sache, wie vorher auf dem Rasen. »Völlig unverständlich und unfassbar« findet er immer noch die Entscheidung. Und er legte gleich nach: »Das war link, frech und unehrlich, zu den Aussagen stehe ich.« Genau diese Behauptungen kosteten Wörns das WM-Ticket, dem Klinsmann anschließend »Respektlosigkeit« vorgeworfen hatte.
Wörns redete sich in Bielefeld so richtig in Rage. »Die Provokationen kamen immer nur vom Bundestrainer, ich habe lediglich reagiert. Wahrscheinlich hat er darauf gewartet, um mich kippen zu können. Wenn er ein ehrlicher Kerl wäre, hätte er mir viel früher sagen müssen: Du, Christian, ich plane nicht mehr mit dir.«
Jetzt darf Wörns während der WM seinen Urlaub buchen und kann es immer noch nicht begreifen: »Das geht mir nicht aus dem Kopf. Ich habe in den letzten drei Nächten kaum geschlafen. Der Klinsmann redet dabei ständig vom Leistungsprinzip. Er hat vor Wochen zu mir gesagt: Der Lukas Sinkewicz aus Köln steht vor dir. Da kann ich nur lachen.«
Aber natürlich fand der Dortmunder das überhaupt nicht spaßig, er hatte dabei fast Tränen der Wut in den Augen. Wörns empört vor allem auch, wie er die Ausbootung erfahren hat: »Ich wurde von einem Journalisten informiert, dass ich gegen Italien nicht dabei sein werde. Und dann hat der Klinsmann sich gemeldet und mir was auf die Mailbox gesabbelt. Davon habe ich nichts verstanden. Das war scheinheilig, unterste Schublade.« Klartext redete dagegen Teammanager Oliver Bierhoff am Freitag mit dem Dortmunder Manager Michael Zorc. »Dem hat er mitgeteilt, dass ich definitiv für die WM gestrichen worden sei.«
Der wütende Wörns - und ein paar Meter weiter stand Christoph Metzelder. Er ist schon seit Wochen nicht mehr erste Wahl in Dortmund, aber er steht weiter im WM-Kader: »Ich sitze zwischen allen Stühlen. Mit Wörns habe ich viele Schlachten geschlagen. Die Situation ist brisant, ich möchte mich nicht näher dazu äußern.« Auch sein Kollege Sebastian Kehl spielte den Diplomaten. Er wurde zwar erneut nicht nominiert, hofft jedoch weiter die WM-Teilnahme: »Vielleicht gehöre ich noch zu den glücklichen Gewinnern.«
Es gab an diesem Tag in Bielefeld aber nur Dortmunder Verlierer. Trainer Bert van Marwijk zählte selbstverständlich auch dazu: »Wir hatten gegen Bremen und Arminia zehn Chancen und haben kein Tor geschossen.« Die letzten drei Ergebnisse sagen alles über das dringlichste BVB-Problem: 0:0, 0:1 und 0:1.

Artikel vom 27.02.2006