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Merkel gibt den Startschuss:
Soziale Marktwirtschaft sichern

CDU-Vorsitzende startet Grundsatzdebatte über Werte - Pofalla gewählt

Berlin (dpa). In einer knapp zweijährigen Wertedebatte will die CDU das Profil innerhalb der großen Koalition schärfen und ihr Grundsatzprogramm umfassend modernisieren. Die CDU-Vorsitzende, Kanzlerin Angela Merkel, rief gestern auf einem »Wertekongress« in Berlin dazu auf, vor allem die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft jenseits der alten Parteigräben zu diskutieren.
Der neugewählte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla (links), die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und der Vorsitzende der Wertekommission, Christoph Böhr, gestern auf dem kleinen CDU-Parteitag. Foto: dpa

Der Startschuss für die Werte-debatte war mit einem Kleinen Parteitag verbunden, bei dem Ronald Pofalla mit großer Mehrheit offiziell zum elften CDU-Generalsekretär gewählt wurde.
Intensiv warb Merkel für ein neues Nachdenken über Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. In ihrer ersten größeren Partei-Rede nach der Wahl zur Kanzlerin vor fast 100 Tagen hob sie hervor, dass das bestehende Grundsatzprogramm der CDU aus dem Jahr 1994 auf »eine Reihe von Fragen keine Antwort« habe. Das betreffe die Außenpolitik, aber vor allem die Sozial- und Wirtschaftspolitik. »Wir wollen die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft sichern. Aber wir fühlen, dass sich durch die Globalisierung die Rahmenbedingungen verändert haben«, sagte Merkel. Die Folge sei, dass in der Bevölkerung die Akzeptanz sinke.
Das neue Grundsatzprogramm soll Ende 2007 verabschiedet werden und die unter dem Eindruck der deutschen Einheit beschlossenen Leitsätze von 1994 ablösen. Merkel bekannte sich zum christlichen Menschenbild als Grundlage des CDU-Programms.
Ähnlich wie in ihrer Regierungserklärung am 30. November legte sie den Schwerpunkt auf die Definition ihres Verständnisses von Freiheit. Mit Blick auf Kritik am Bundestagswahlkampf der CDU sagte sie, dass Freiheit nicht »Freiheit zur Beliebigkeit« bedeutete. Im Verständnis von Grundwerten gebe es große Unterschiede zum Koalitionspartner SPD.
Breiten Raum widmete Merkel den Werten Gerechtigkeit und Solidarität. Insbesondere der CDU-Arbeitnehmerflügel hatte nach der enttäuschend verlaufenen Bundestagswahl im Herbst kritisiert, diese Werte seien im Wahlkampf zu kurz gekommen. Die Kanzlerin beklagte, dass in Deutschland Kinder aus Familien mit geringerem Einkommen immer noch schlechte Bildungschancen hätten. Auch gebe es zu wenig Gerechtigkeit für Familien. Angesichts verhärteter Fronten unter den Christdemokraten verlangte die CDU-Chefin Toleranz von allen Parteiflügeln. Niemand sollte dem anderen vorwerfen, »ein unsinniger Zeitkumpan« zu sein.
Der stellvertretende Parteivorsitzende Christoph Böhr - auch Vorsitzender der Grundwerte-Kommission der CDU - betonte, dass das christliche Menschenbild Teil einer Leitkultur sei, die für das Zusammenleben in Deutschland und Europa gelte. Es sei richtig und notwendig, dass die Partei das Grundsatzprogramm auf die Höhe der Zeit bringe. Es müsse ein Bild von einer Gesellschaft entworfen werden, in der keiner abgeschrieben werde.
Der 46-jährige Jurist Pofalla erhielt 76 von 79 Stimmen. Zwei Mitglieder des Kleinen Parteitags votierten mit Nein, ein Delegierter enthielt sich. Damit erreichte der frühere Fraktions-Vize eine Zustimmung von 97,4 Prozent, bezogen auf Ja- und Nein-Stimmen. Er war von Merkel vorgeschlagen worden. Pofalla ist Nachfolger von Volker Kauder (56), der im November den Vorsitz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion übernommen hatte.
Der neue Generalsekretär kündigte an, das Profil der CDU in den kommenden Jahren schärfen zu wollen. Mehrmals grenzte er sich von den Sozialdemokraten ab, die Gerechtigkeit nur auf soziale Gerechtigkeit reduzierten. Es werde mit der SPD eine Auseinandersetzung darüber geben, wie die Sozialstaatsquote in den kommenden Jahren reduziert werden könne.

Artikel vom 21.02.2006