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Statt Unterbringung
Haft für Tierschänder

Drei Jahre und neun Monate für abscheuliche Taten

Von Uwe Koch und
Hendrik Uffmann (Foto)
Bielefeld (WB). Der Tierschänder aus der Vollzugsanstalt Senne soll drei Jahre und neun Monate Haft absitzen. Ein Schöffengericht des Bielefelder Amtsgericht hat den 47-jährigen Michael Sch. gestern wegen Tierquälerei, Sachbeschädigung und wegen Diebstahls verurteilt. Viele der betroffenen Tierhalter, die den Prozeß engagiert verfolgten, quittierten das Urteil mit Beifall.

Für alle Prozeßbeteiligten und Beobachter taten sich in Saal 4089 des Amtsgerichts Bielefeld tiefe menschliche Abgründe auf. Ohne Umschweife gab Michael Sch. mit einem knappen Geständnis zu, daß die Vorwürfe der Anklage »richtig sind«. Von April 2004 bis März 2005 hatte Sch. demnach als Freigänger der Haftanstalt Bielefeld-Senne 14 Tiere - Schafe, Pferde und Esel - sadistisch gequält und sogar sexuell bis hin zum Geschlechtsverkehr mißbraucht. Die größtenteils tragenden Muttertiere waren an den Mißhandlungen im Genitalbereich verendet oder hatten schwere Verletzungen davongetragen. Auch hatte es Totgeburten gegeben.
Michael Sch. hatte die Opfertiere in Verl-Kaunitz, Brockhagen, Bielefeld und Erwitte auf Koppeln gefunden, gestohlen und mit einem Fahrradanhänger abtransportiert. Er hatte dann die Tiere nachts zu einer angemieteten Hütte in Ummeln gefahren, wo er sich in widerwärtiger, abscheulicher Weise an den Muttertieren verging.
Das Problem der gestrigen Verhandlungen war keineswegs die Beweisführung - es bestand eher in den rechtlichen Folgen für den Täter. Der Vorsitzende Richter Hermann Schulze-Niehoff und Staatsanwalt Christoph Zielke machten besonders den betroffenen Tierzüchtern im Saal ohne Umschweife klar, daß die Verletzung oder Tötung ihrer Tiere lediglich als Sachbeschädigung oder Tierquälerei zu bestrafen sei - und somit, was die Strafandrohung angehe, vom Gesetzgeber wesentlich geringer als der Diebstahl der Tiere bewertet sei.
Noch problematischer gestaltete sich die Expertise von zwei Gutachtern, die über Schuldfähigkeit und mögliche krankhafte Persönlichkeitsstörung des Mannes Auskunft geben mußten. Michael Sch., der lange Jahre seines Lebens in Schweden verbracht hat, war schon in Skandinavien wegen Tierquälerei (und Brandstiftung) verurteilt und dort in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht worden. Im gestrigen Prozeß erhärtete sich zwar der Verdacht, daß Michael Sch. obendrein seine damals erst fünfjährige Tochter aus sexuellen Motiven im Genitalbereich gezüchtigt habe, beweisbar waren diese Vorwürfe indes nicht. Ebenso klang an, daß sich Michael Sch. auch während eines mehrjährigen Aufenthaltes in Lippstadt der sexuell motivierten Mißhandlung von Tieren schuldig gemacht haben könnte. Seine Ehefrau hatte später einmal ausgesagt, Sch. sei nachts ständig fortgeblieben, sei morgens »mit Stallgeruch« nach Hause zurückgekehrt.
Die Gutachter Achim Teuber und Siegfried Binder indes stellten klar, daß Sodomie (auch Zoophilie) in Deutschland nicht strafbar sei, sofern Tiere nicht verletzt würden. Sadistische Züge der Taten seien zwar erkennbar, allerdings stünden sexuelle Motive im Vordergrund. Eine Verminderung der Schuldfähigkeit verneinten die Gutachter, eine schwere Persönlihckeitsveränderung auch. Demnach sei eine Unterbringung in der Psychiatrie ausgeschlossen, nur eine Bestrafung sei möglich.
Schulze-Niehoff quittierte diese Einschätzung so: »Sie sind ein Problem für die Justiz.« Sch. brauche zweifellos Hilfe, die er in seiner kommenden Haftzeit nutzen solle. »Unsere Gesellschaft ahndet solche Taten, daher werden Sie weggeschlossen. Sie werden Ihr Leben im Knast verbringen, sofern Sie sich unserer Werteordnung nicht anschließen.« Die Gutachter hatten die Wiederholungsgefahr der Taten ja nicht ausgeschlossen. Das Gericht hielt sich exakt an Zielkes Strafantrag, damit habe man diese Delikte »hoch bestraft«.

Artikel vom 22.02.2006