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Gott sei dank ist die Welt eine Kugel. Wäre sie eine Scheibe, würden wir wahrscheinlich alle einer Frisbee-Weltmeisterschaft entgegenfiebern.
Weil aber König Fußball den Planeten regiert und in diesem Jahr sogar in Deutschland zu Gast ist, geht es auch auf dem Büchermarkt zurzeit »rund«.
Niemand möchte im WM-Jahr im Abseits stehen. Deshalb rollt der Ball wie niemals zuvor in die Regale der Buchhändler. Besonders im Trend: Bücher, die an den Erfolg des Briten Ben Schott anknüpfen. Sein »Sammelsurium« lebt vom Neben- und Durcheinander teils skurriler, bisweilen nützlicher, aber auch völlig zusammenhangloser Alltagsfakten, die in Schotts Listenform ein erstaunliches Eigenleben entwickeln.
Was lag da näher, als dieses Erfolgsrezept auf den an Tabellen, Statistiken und Zahlen alles andere als armen Fußballkosmos zu übertragen. So findet sich in Christoph Biermanns »Fast alles über Fußball« oder Eduard Augustins »Fußball unser« mehr oder weniger systematisch und sinnvoll angehäuftes Wissen über Extreme und Exoten, Typen und Trainer, Ergebnisse und Ereignisse aus der Welt des Runden und des Eckigen. Beide Werke sind sich inhaltlich sehr nahe, weil es offenbar doch nicht unendlich viele Absurditäten am Ball gibt. Vielleicht, weil er inzwischen vielerorts zu wichtig genommen wird?
Trapattonis Bandrede zum Nachlesen oder die Aufzählung aller Trainerstationen von Weltenbummler Rudi Gutendorf finden sich jedenfalls in beiden Büchern. Und noch vieles mehr. Genau das Richtige also, um bei der WM im Bekanntenkreis oder vor der Großbildleinwand zur rechten Zeit mit dem nötigen Fachwissen aufzutrumpfen und kund zu tun, dass das am schlechtesten besuchte Bundesligaspiel vor 827 Zuschauern stattfand oder Manfred Kaltz nicht nur als Erfinder der »Bananenflanke« in die Geschichte eingegangen ist, sondern auch als bislang gefürchteter Eigentorschütze (5) - falls der Mainzer Nikolce Noveski ihn bis zur WM nicht noch überholt.
Auch die Mär, dass Arminia Bielefeld die Fahrstuhlmannschaft schlechthin sei, lässt sich nach dieser Lektüre nicht länger halten: Heladas Szombatheley aus Ungarn ist seit 1936 25 Mal auf- oder abgestiegen. Und selbst in Deutschland findet sich mit Fortuna Düsseldorf ein Klub, der in den vergangenen 28 Jahren ein Mal mehr die Klasse wechselte als der Rekordaufsteiger aus Ostwestfalen. Biermanns Buch verzichtet auf jeglichen optischen Schnickschnack. Dagegen verdient sich Augustins Band mit Goldschnitt, Goldprägung und Lesebändchen durchaus die Bezeichnung Fußballbibel.
Statt Zahlen und Statistiken kümmert sich der bekennende Arminia-Fan Philipp Köster (»11 Freunde«) mehr um die so genannten »Fußballwunder«. 25 dieser erstaunlichen Geschichten aus aller Welt hat Köster zusammengetragen. Und alle sind das Nachlesen wert. Es geht um kleine und große Triumphe und Tragödien - um stundenlange Elfmeterschießen, große Siege und bittere Niederlagen, kurzum, um alles, was im Fußball wirklich wichtig ist. Das ist fast so gut, wie live dabei zu sein.
Auf den Wahrheitsgehalt von Fußball-Legenden hat es auch Wolfgang Hars abgesehen. Hat es wirklich schon einmal ein 0,5:0 gegeben? Soll der Gefoulte tatsächlich keinen Strafstoß ausführen? Hat Pelé die meisten Tore geschossen? Weit mehr als 100 solcher Fragen widmet sich Hars mit großer Hingabe. Und aus manch riesigem Fußball-Mythos wird so ein kleiner Zwerg.
Wer mit dem frisch erworbenen Fachwissen dann doch nicht bis zur WM warten kann, der wird von der Gütersloher Medienfabrik gut bedient. »Kopfball-Training« heißt eine Reihe von Quizbüchern, in der bislang jeweils 101 Rätsel zur WM oder zum FC Bayern München in Heimarbeit gelöst werden können. Dabei heben sich die Fragen wohltuend von den so genannten Expertenfragen deutscher TV-Anstalten ab. Diese »Kopfnüsse« fordern tatsächlich die Experten und laden ein zum »Mannschaftsspiel« - in gemütlicher Runde, mal ohne Fernseher.

Ein Beitrag von
Hans Peter Tipp

Artikel vom 01.03.2006