24.02.2006
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Eins
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K
Fast schon glaubte ich, mir alles nur eingebildet zu haben. Doch dann fiel mir dunkel ein, dass erst kürzlich jemand von einer Einbruchsserie erzählt hatte, und ich setzte meinen Weg durch die Halle fort - nur um sicherzugehen. Es gab jede Menge Nischen, in denen sich Halunken verstecken konnten. Den Schürhaken einsatzbereit für den Fall, dass er aus dem Hinterhalt zuschlug, kontrollierte ich die Bibliothek und das Musikzimmer. Langsam drehte ich den Türknauf, stieß dann ruckartig die Tür auf und fand - nichts. Niemand lauerte hinter Brancûsis Janus, niemand kauerte unter dem wuchernden Weihnachtsstern meiner Mutter. Einer Eingebung folgend probierte ich die Flügeltür zum Ballsaal. Sie war verschlossen, natürlich, sie war immer verschlossen.
Erleichtert ging ich Richtung Küche, um auch dort noch einen flüchtigen Blick hineinzuwerfen und mich gleichzeitig nach etwas Gebäck oder Ähnlichem als Nachtisch für meine Consommé umzusehen, als ich hinter mir ein Geräusch hörte. Ich wirbelte herum, gerade als die Tür zur Garderobe aufgerissen wurde. Und da war sie, die grässliche Gestalt, mit tapsigen Schritten kam sie auf mich zu. Ohne das angenehm Trennende der Milchglasscheibe war der Anblick noch schauerlicher. Mein Mut verließ mich, der Arm samt Schürhaken erstarrte mitten im SchlagÉ
»Charles!«, kreischte meine Schwester, die plötzlich wie ein Geist neben dem Ding aufgetaucht war.
»Hooo«, knurrte das Ding, dann hatte ich meine Sinne wieder beisammen und verpasste ihm einen kräftigen Schlag auf die Schläfe. Als es dumpf auf dem Boden aufschlug, war aus dem Zimmer nebenan deutlich das Klirren der Porzellansammlung meiner Mutter zu hören.
Einen Augenblick lang herrschte Stille. Draußen heulte der Wind.
»Herrgott, Charles, was hast du getan?«, sagte Bel und beugte sich besorgt über die gefällte Bestie.
»Mach dir keine Sorgen, er atmet noch«, beruhigte ich sie. »Was sollÕs, er hat nur bekommen, was er verdient. Einfach so in ein fremdes Haus einzubrechen. Sei froh, dass du nicht allein hier warst, Bel, schau dir diesen Frankenstein doch an.«
»Charles«, stöhnte sie. »Das ist keinÉ«
»Und ob es einer ist, ich wünschte, du hättest das nicht mit ansehen müssen. Aber es ist nun mal eine Tatsache, dass wir in einer Welt leben, dieÉ«
»Halt den Mund, du Idiot. Das ist kein Frankenstein, das ist Frank - ein Freund, wir gehen heute Abend zusammen aus.« Sie kniete sich neben das Wesen und betastete dessen Stirn. »Wenn er noch mal zu Bewusstsein kommt.«
»Oh«, sagte ich. Durch die Tür sah ich Mary Astor. Sie trug einen Männerhut und tanzte einen gewagten Charleston. Nicht zum ersten oder letzten Mal wünschte ich mir, dass ich in den Bildschirm springen und mittun könnte.
»Ist das alles, was dir dazu einfällt, ÝOh.Ü?« Sie richtete sich halb auf, um mich besser beschimpfen zu können. »Weil er mich von diesem dämlichen Vorsprechen nach Hause fahren wollte, hat sich der arme Kerl extra den Nachmittag freigenommen, und noch bevor ich ihm einen Drink anbieten kann, fällst du über ihn her.«
»Ich hab gedacht, er ist ein Einbrecher«, wandte ich ein.
»Ein Einbrecher«, wiederholte Bel.
»Na ja«, sagte ich. »Da war doch diese Einbruchsserie, undÉ« Es war unmöglich, ihr das auf die nette Art beizubringen. »Und er sieht ja nun wirklich wie ein Einbrecher aus, Bel, das musst du zugeben. Ich meine, schau ihn doch an.«
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»Unrecht? Was meinst du?«, rief Bel, als ich ihr meinen Eindruck schilderte. »Du schlägst jemandem den Schädel ein, und dir fällt nichts Besseres ein, als seine Ohren zu bekritteln. Tickst du noch richtig?«
»WennÕs nur die Ohren wären«, sagte ich. »Stell dir bloß vor, was Mutter sagen würde, wenn sie das da sehen würde.«
»Ich kann mir sehr gut vorstellen, was sie sagen würde«, sagte Bel säuerlich. »Sie würde sagen, dass ihr ein bisschen unwohl sei, und ob ihr nicht jemand einen Gin einschenken könnte.«
»Mach keine Witze über Mutters schwache Nerven«, wies ich sie zurecht. Aber sie war schon unterwegs zur Küche und kam kurz darauf mit einem Geschirrtuch voller Eiswürfel zurück. Das Wesen kam gerade wieder zu sich.
»Mann o Mann«, sagte es. »Alles in Ordnung?«, fragte Bel und zog es mit beiden Händen in eine sitzende Position.
»Was ist passiert?«, sagte das Wesen. »Ich hab die Küche gesucht. Und dann war ich plötzlich in diesem Zimmer, alles voll Mäntel, und dann, weiß nicht, als wenn mich einer geschlagen hätteÉ«
»Du hattest einen kleinen Unfall«, sagte Bel und starrte mich eisig an.
»Na ja, jetzt ist es ja überstanden«, sagte ich. »Wie wärÕs mit einem Drink? Ein Cognac vielleicht? Oder kann ich dich zu einem Gimlet überreden? Ich wollte mir gerade selbstÉ«
»Eine Tasse Tee wäre wunderbar«, sagte der Eindringling. Er rappelte sich auf, hielt sich an Bels Schulter fest und schleppte sich über das Parkett in den Salon. Dort sank er auf meinem Chaiselongueplatz nieder.
»Tee. Natürlich«, sagte ich gnädig, während er die Fernbedienung nahm und Mary Astors lächelnde Augen von einer auseinander gezogenen, im Kreis herumrennenden Hundemeute ersetzt wurden.
Niemand reagierte, als ich die Dienstbotenglocke läutete. Ich stand in der Küche und starrte hilflos die Küchenschränke an, als Bel hereinkam. »Wo hat Mrs P den Tee?«, fragte ich. Bel riss Millimeter vor meiner Nase eine Schranktür auf, und ich blickte auf eine Reihe glasierter Tontöpfe. »Ob er Earl Grey mag? Ist eigentlich ein bisschen zu früh dafür, oder?«
Bel stöhnte auf, nahm eine Schachtel mit Verbandsmaterial aus einer Schublade und ging wieder.
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Artikel vom 24.02.2006