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Georg Hettich

»Ich bin für Kontrollen, aber diese Unannehmlichkeiten hätten nicht sein müssen.«

Leitartikel
Doping-Jagd in Turin

Schmutziger
Wettlauf
ohne Sieger


Von Oliver Kreth
Mit einem Doppelpass machen sie alle Doper nass. Das Internationale Olympische Komitee und die italienische Justiz haben frei nach Herbert Grönemeyers »Bochum, ich komm aus dir« bei den Olympischen Winterspielen für eine neue Dimension in der Bekämpfung der illegalen Leistungsförderung gesorgt. Denn erstmals ging ein Tipp der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) direkt an nationale Strafverfolgungsbehörden. Gibt der Erfolg dieser Methode nun Recht?
Im schmutzigen Wettlauf um Blut und Urin scheinen derzeit alle Mittel Recht zu sein. WADA-Boss Richard Pound meint es auf jeden Fall ernst mit der Betrugsbekämpfung im Hochleistungssport. Der Kanadier setzt auf Informanten, die für ihre Hinweise auch honoriert werden. Gekauftes Insider-Wissen soll den Doping-Sumpf trocken legen. Ein löblicher Vorsatz - nicht ohne bitteren Beigeschmack - der aber eben nur dann funktioniert, wenn die nationalen Strafverfolgungsbehörden mitspielen.
Dabei gibt es derzeit zwei Vorreiter: Frankreich und eben Italien. 2002 wurde die Tour de France aufgemischt. Bei Raimondas Rumsas und seiner Frau Edita wurden 37 illegale Mittel gefunden. Es folgten Untersuchungshaft und Verurteilung. Und der Fall des österreichischen Trainers Walter Mayer ist nicht das erste harte Durchgreifen der Italiener.
Warum Mayer sich nach Turin getraut hat, wird sein Geheimnis bleiben. Er war wegen der »Blutbeutel-Affäre« bei den Winterspiele 2002 vom Internationalen Olympischen Komitee bis 2010 von Olympia ausgeschlossen worden. Und im Januar bekam er unangemeldeten WADA-Besuch in seinem Privathaus, dem zunächst der Zugang verweigert wurde.
Doch ganz Geschmäckle-frei ist die Geschichte eben nicht. Aus den Büschen springende Fahnder, Kontrollen gegen Mitternacht, Aufforderung zu Urin- und Blutabgaben während Live-TV-Interviews - das wird von den Sportlern nicht zu Unrecht als Gängelung betrachtet. Mag' die Nachweisbarkeit von vermeintlichen Medaillen-Machern wie Epo oder Wachstumshormonen auch kurz sein - drei Kontrollen in drei Tagen wie bei Gold-Kombinierer Georg Hettich sind wahrlich ein ausreichend enges Kontroll-Fenster.
Wie uneinig man sich zwischen den verschiedenen Sportorganisationen ist, zeigt auch der Fall Evi Sachenbacher. Bei den Langläufern greift eine Schutzsperre bei einem Wert des Hämoglobingehaltes von 16,0 Gramm pro Deziliter Blut. Bei den Biathleten ist es 17,0. Und der oberste deutsche Olympionike in Turin, Orthopäde Klaus Steinbach, widerspricht Pound zu Recht, wenn der vorschlägt, jenseits solcher Werte von Doping zu sprechen.
Im schmutzigsten Wettlauf des Sports geht es um viel Geld. Und solange nur Erste von Hobby-Konsumenten und Berufs-Kritikern honoriert werden, wird es dieses Räuber- und Gendarmspiel geben. Ob dabei das Ziel »sauberer Sport« erreicht werden kann, muss bezweifelt werden.

Artikel vom 21.02.2006