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Österreich fürchtet größten
Doping-Skandal seines Landes

Athleten auf der Flucht - Biathlon-Trainer rammt Polizeiwagen

Turin (dpa). Österreich droht im größten Doping-Skandal des Landes zu versinken. Bei der Polizei-Razzia im Olympia-Quartier der Langläufer und Biathleten sind nach Angaben der italienischen Staatsanwaltschaft 100 Spritzen, 30 Schachteln mit Medikamenten und Apparate für Bluttests und -transfusionen entdeckt worden.
Mit seinem Wagen hatte Walter Mayer (kleines Foto) in Kärnten versucht, eine Straßensperre zu durchbrechen und dabei ein Polizeiauto gerammt.

Die Biathleten Wolfgang Rottmann und Wolfgang Perner waren noch in der Nacht zum Sonntag aus Italien geflohen. »Für mich ist es vorbei, ich brauche Biathlon nicht mehr zu machen«, sagte Perner, Olympia-Dritter von 2002.
Sein Cheftrainer Alfred Eder hatte den Manipulations-Verdacht gegen ihn und den Ex-Weltmeister Rottmann weiter verstärkt. »Fakt ist, dass einer der Burschen einen Plastiksack aus dem Fenster geworfen hat«, berichtete er. Das Duo hätte ihm nach der Hausdurchsuchung um 03.30 Uhr Sonntag früh mitgeteilt, dass sie abreisen. »Die Jungs haben Panik bekommen, eingesperrt zu werden«, meinte Eder, der bedauerte: »Was hinter meinem Rücken alles passieren kann, ist traurig.«
Perner wollte nicht bestätigen, dass er der Athlet gewesen ist, der den von den Carabinieri sichergestellten Beutel aus dem Fenster geworfen hat. »Da muss man warten, was rauskommt. Wenn offen gelegt wird, was gefunden wurde, werde ich Stellung beziehen.« Das forderte auch der Präsident des Österreichischen Ski-Verbandes (ÖSV), Peter Schröcksnadel.
Ex-Weltmeister Rottmann beteuerte: »Ich bin unter Schock gestanden, habe aber nichts verbrochen. Meiner Karriere steht nichts im Weg.« Wie das IOC mitteilte, erwartet es die Ergebnisse der zeitgleich zu der Razzia veranlassten Doping-Kontrollen für zehn österreichische Athleten ebenso wie Angaben zum Inhalt des Beutels in Kürze.
Bei der Razzia stand zunächst die Suche nach dem von Olympia verbannten Sportlichen Leiter der Langläufer und Biathleten, Walter Mayer (48), im Vordergrund.
Er konnte sich einer Strafverfolgung in Italien per Abreise entziehen, geriet aber mit der Polizei in Konflikt. Bei einer Verkehrskontrolle flüchtete er, raste in ein quer gestelltes Polizeifahrzeug und verweigerte den Alkoholtest. Nach Stunden in Gewahrsam wurde er entlassen. Mayer muss mit einer Anklage wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung rechnen. Dass er zuvor sogar eine Nacht in dem Quartier der Österreicher in San Sicario verbrachte, bringt den ÖSV in Bedrängnis. Angeblich haben die Spitzenfunktionäre nichts von seinem Aufenthalt gewusst.
Mayer war wegen der so genannten »Blutbeutel-Affäre« 2002 in Salt Lake City vom IOC bis 2010 von Olympia ausgeschlossen worden. Entgegen der Aussagen der Funktionäre war seine Reise zu den Spielen bekannt. Der Nachrichtenagentur APA hatte er am 3. Februar erklärt: »Ich bin auf alle Fälle in Italien und werde mich um das Training kümmern.«

Artikel vom 21.02.2006