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Berlinale: Drei Bären
bleiben in Deutschland

Hauptpreis geht an bosnisches Antikriegs-Drama

Von Elke Vogel
und Peter Claus
Berlin (dpa). Mit ihrer Wahl hat die Berlinale-Jury ein politisches Zeichen gesetzt und das deutsche Kino mit gleich drei Ehrungen gestärkt.
Jasmila Zbanic freut sich über den Goldenen Bären für ihr Antikriegs-Drama »Grbavica«.


Das bosnische Antikriegs-Drama »Grbavica« von Jasmila Zbanic ist Gewinner des Goldenen Bären. Der Film ist ein Plädoyer für die Aufarbeitung der Traumata des Balkankrieges. Das Drama, benannt nach einem Ortsteil Sarajevos, erzählt vom Leid der in den serbischen Gefangenenlagern vergewaltigten Frauen. Zbanic hat dieses Thema bereits mehrfach in Dokumentarfilmen behandelt, »Grbavica« ist ihr erster Spielfilm.
Gleich drei Silberne Bären der 56. Berlinale gingen nach Deutschland, das diesmal mit vier Beiträgen im Wettbewerb vertreten war. Moritz Bleibtreu setzte sich überraschend mit seiner Rolle als sexbesessener Lehrer in Oskar Roehlers Romanverfilmung »Elementarteilchen« gegen die internationale Konkurrenz durch. »Ich bin echt fertig«, meinte der überwältigte Bleibtreu und dankte seiner Mutter Monica Bleibtreu, »von der ich alles gelernt habe.«
Verdient gewann die Kino-Debütantin Sandra Hüller den Silbernen Bären als beste Schauspielerin. Sie spielt die Hauptrolle in Hans-Christian Schmids »Requiem«. Der Film beruht auf dem Fall einer Teufelsaustreibung mit tödlichem Ausgang im Süddeutschland der 70er Jahre. Auch Jürgen Vogel nahm einen Silbernen Bären entgegen. Er wurde als Hauptdarsteller, Produzent und Co-Autor des Films »Der freie Wille« von Matthias Glasner ausgezeichnet. Vogel spielt in dem Film einen Triebtäter.
»Ich hoffe, dass dieser Bär nicht enttäuscht ist, wenn er Bosnien sieht«, meinte Bären-Gewinnerin Zbanic mit Blick auf die Probleme ihrer Heimat. »Ich möchte die Gelegenheit nutzen, uns alle daran zu erinnern, dass die Kriegsverbrecher Radovan Karadzic und Ratko Mladic nach wie vor unbehelligt in Europa leben.« Diese Menschen, die für die Organisation von Mord, Totschlag und Vergewaltigung verantwortlich seien, lebten noch immer auf freiem Fuß.
Politisch beeinflusst war sicher auch die Entscheidung der von der britischen Schauspielerin Charlotte Rampling geleiteten Jury, den Großen Preis der Jury zu teilen: Nicht nur die melancholische Komödie »Eine Soap« von Pernille Fischer Christensen aus Dänemark wurde bedacht. Auch »Offside« (Abseits), eine iranische Politsatire von Jafar Panahi rund um ein Fußballspiel, wurde ausgezeichnet. Keiner von Panahis international preisgekrönten Filmen durfte bislang in seiner Heimat gezeigt werden. In »Offside« geht es um eine Gruppe junger Frauen, die verbotenerweise ein Fußballspiel im Stadion besuchen wollen. Auch dieser Film habe bislang keine Aufführungsgenehmigung bekommen, sagte Panahi.
Der große Favorit »The Road to Guantanamo« erhielt den Silbernen Bären für die beste Regie. Michael Winterbottom und Mat Whitecross holten unter großem Beifall des Publikums die drei britischen Muslime auf die Bühne, nach deren Schicksal der Film gedreht wurde. Sie verbrachten mehr als zwei Jahre unschuldig im US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba.

Artikel vom 20.02.2006