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Herzlichen Dank, Prof. Meyer!

Gründungsvater der NRW-Kinderherzklinik wird morgen verabschiedet

Von Christian Althoff
Bad Oeynhausen (WB). »Ein krankes Kind muss wissen: Du bist da, wenn es dich braucht. Deshalb hat die Tür zu meinem Zimmer auch immer offen gestanden«, sagt Prof. Hans Meyer (66). Morgen wird der Gründungsvater der NRW-Kinderherzklinik in den Ruhestand verabschiedet.

1984 hatte der Kardiologe, der zuvor am Kernforschungszentrum Jülich und an der Uniklinik Düsseldorf gearbeitet hatte, die ersten kleinen Patienten in Bad Oeynhausen aufgenommen. »Seit damals hat sich ihre Versorgung enorm verbessert - auch Dank der Forschung, die in Oeynhausen betrieben worden ist«, sagt der Arzt. Hätten Kinder mit einem schweren Herzfehler vor 25 Jahren kaum eine Chance gehabt, über eine einigermaßen erträgliche Kindheit hinauszukommen, so erreichten heute 75 Prozent das Erwachsenenalter, seien erwerbstätig und hätten selbst Kinder.
Große Fortschritte habe neben der Chirurgie auch die Diagnostik gemacht: »Früher konnten wir Kinder nur mit einem Katheter untersuchen, den wir ins Herz schoben. Heute nutzen wir Verfahren wie Ultraschall und Magnetresonanz. Der Katheter wird zwar auch noch eingesetzt, aber nicht mehr hauptsächlich zur Diagnose, sondern in 90 Prozent der Fälle zur Behandlung.« So habe bei Babys mit einem Loch im Herzen früher der Brustkorb geöffnet werden müssen, während heute das Loch oftmals mit Hilfe eines Katheters verschlossen werden könne.
»Wir wissen heute auch viel mehr über die Belastbarkeit herzkranker Kinder«, sagt Meyer, der eine eigene Abteilung zur Belastungsermittlung einrichten ließ. »Früher wurden diese Kinder pauschal vom Schulsport freigestellt, heute dürfen sie nahezu jede Sportart bis zu einer von uns festgelegten Grenze mitmachen.«
Vorangetrieben hat der Kardiologe in seiner Klinik auch die Überwachung von Risiko-Schwangeren, von denen bis heute etwa 3000 in Oeynhausen untersucht worden sind. »Das Herz eines ungeborenen Kindes ist etwa so groß wie ein Stück Würfelzucker. Da muss man schon genau hinsehen«, erklärt der Arzt. Werde dabei ein Herzfehler entdeckt, bringt die Frau das Kind zumeist im benachbarten Städtischen Krankenhaus zur Welt: »Fünf Minuten später liegt es dann bei uns, wo Chirurgen das Neugeborene unter Umständen innerhalb der nächsten Stunde operieren.«
Mit 20 Betten und 800 ambulanten Patienten pro Jahr hatte die NRW-Kinderherzklinik 1984 begonnen, heute stehen 45 Betten zur Verfügung, und die Ambulanz zählt 6500 Besuche pro Jahr. 80 000 Mädchen und Jungen sind in den mehr als zwei Jahrzehnten unter der Leitung von Prof. Meyer versorgt worden, der kleinste Patient war gerade einmal 900 Gramm schwer. »Ältere Kinder und Jugendliche haben manches Mal das Gespräch gesucht«, sagt der Kardiologe. Abends, wenn es ruhig geworden sei in der Klinik, sei mancher junge Patient zu ihm gekommen und habe gefragt: Was wird denn nun aus meinem Leben? »Dann folgten oft lange, tiefgehende Gespräche.«
Auch wenn Hans Meyer erst morgen verabschiedet wird - im Ruhestand ist er bereits seit sieben Wochen. »Ich musste umlernen«, gibt der Ehemann der (noch aktiven) Kinderkardiologin Anne Meyer-Brettschneider und Vater von vier 16, 19, 27 und 29 Jahre alten Kindern schmunzelnd zu. Zwar sei es für ihn »als Alt-68er« kein Problem, jetzt mittags am Herd zu stehen (»Das macht mir sogar Spaß!«), doch habe ihm sein Nachwuchs schnell klargemacht, dass er mit seinen Anordnungen nicht weit komme: »Zuhause bin ich eben nicht der Klinik-Chef.«
Drei Monate Auszeit hat sich der bald 67-Jährige verordnet, um über sich und den Rest seines Lebens nachzudenken: »Die meiste Zeit habe ich ja schließlich hinter mir.« Nach dieser Besinnungspause will sich Meyer wieder in die Arbeit stürzen. Er plant ein leicht verständliches Fachbuch für Eltern herzkranker Kinder und wird im Kompetenznetz für angeborene Herzfehler mitarbeiten - einer Forschungsorganisation, die die Versorgung kleiner Patienten weiter verbessern will.

Artikel vom 21.02.2006