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Bedrohung aus dem Osten

Deutsche Firmen nehmen Chinas Wirtschaft ins Visier

Aus China berichtet Edgar Fels
Shanghai (WB). In China gibt es ein Sprichtwort: »Einmal sehen ist besser als hundert Mal hören.« Wieviel Wahrheit in diesem Satz liegt, hat eine Gruppe von Unternehmern aus Ostwestfalen-Lippe jetzt bei einer gut einwöchigen Informationsreise in China erfahren.

Die Delegation, die gestern Abend zurückkehrte, hat in Peking Niederlassungen des Fensterbauers Schüco (Bielefeld) und des Türen- und Industrietoreherstellers Hörmann (Steinhagen) besucht. Weitere Stationen waren in Shanghai die Niederlassungen des börsennotierten Handyausrüsters Balda AG (Bad Oeynhausen) sowie des Industrielackeproduzenten Peter Lacke (Hiddenhausen/Kreis Herford). Die Teilnehmer zeigten sich beeindruckt von der geballten Wirtschaftskraft, die China jährliche Wachstumsraten von etwa zehn Prozent beschert. »China ist auf dem Weg, zur Fabrik der Welt zu werden«, sagt der Auslandsexperte der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen, Harald Grefe.
Schon heute ist China Weltmarktführer bei der Herstellung von Zement, Waschmaschinen, Spielzeug und Handys. Mit 3000 Fabriken ist China auch bei der Schuhherstellung ganz vorn. Jeder zweite weltweit hergestellte Notebook-Computer stammt aus Shanghai.
Von dem Boom in China wollen auch viele ausländische Unternehmen profitieren - insbesondere aus Hongkong, Taiwan, den USA und Japan. Deutschland liegt mit seinen etwa 3300 Firmen, die sich in China engagieren, unter den »Top Ten«.
Die überwiegend von geringen Lohnkosten (meist 100 bis 200 Euro im Monat) getragene Wirtschaftskraft Chinas hat aber auch Schattenseiten. Es mangelt an Energie. Von Zeit zu Zeit müssen die Betriebe ihre Produktion zurückfahren, weil der Staat Strom sparen will.
Hinzu kommt die Umweltbelastung. Die Hauptstadt Peking, die 2008 die Olympischen Spiele ausrichtet, liegt an durchschnittlich zwei von drei Tagen unter einer Smogwolke.
Und schließlich gibt es in China auch Arbeitslosigkeit, in den Städten liegt die Quote bei etwa fünf Prozent. 200 Millionen Wanderarbeiter ziehen auf der Suche nach einem Job durch das riesige Land. Ein weiteres Problem ist die Korruption und - wie in Deutschland - die schleichende Überalterung der Bevölkerung.
Auch wenn heute kaum jemand dramatisierend von der »gelben Gefahr« spricht, so hat sich bei der Delegation aus Ostwestfalen unter Leitung von IHK-Präsident Herbert Sommer doch der Eindruck verfestigt, dass China als Exportnation für den europäischen Markt zu einer ernst zu nehmenden Bedrohung werden kann. Ein Mitarbeiter der deutschen Botschaft brachte es auf den Punkt: »Wir werden uns in Deutschland wärmer anziehen müssen.«

Artikel vom 20.02.2006