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Rügener Behörden weisen Kritik zurück

Vogelgrippe: Streit über Kompetenzen entbrannt

Schwerin/Berlin (dpa). Die auf der Insel Rügen nachgewiesene Vogelgrippe hat politischen Streit um das Krisenmanagement entfacht. Während an der deutschen Ostseeküste am Freitag weitere tote Vögel eingesammelt wurden, warfen sich Politiker von Kreis, Land und Bund gegenseitig Versäumnisse vor.
Für Hausgeflügel in ganz Deutschland gilt seit Freitag wieder die Stallpflicht. Bei Verstößen sind nach Angaben des Agrarministerium bis zu 25 000 Euro Strafe fällig.
Während an den Küsten der Ostsseeinsel am Freitag weitere verendete Vögel eingesammelt wurden, warfen sich Politiker von Kreis, Land und Bund gegenseitig Versäumnisse vor. Die Zahl der nachweislich mit dem auch für Menschen gefährlichen Virus H5N1 infizierten Vögel lag Freitagnachmittag weiter bei 13. Es waren 8 Höckerschwäne, ein Habicht, 3 Singschwäne und eine Gans.
Auf der Insel Rügen wurden seit dem Nachweis des Virus H5N1 mehr als 360 tote Vögel gemeldet. Das Bundesinstitut für Tiergesundheit testete 124 Tiere. Stündlich verendeten weitere Vögel, sagte Landrätin Kerstin Kassner.
Seehofer kündigte an, nach der Krise über eine Neuverteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern sprechen zu wollen. Derzeit sei aber nicht die Zeit, über Zuständigkeiten zu streiten. Zuvor hatte der Minister den örtlichen Behörden schwere Pannen vorgeworfen und größere Befugnisse für den Bund gefordert. Bei einem so gravierenden Fall, der für die ganze Bevölkerung Deutschlands wichtig sei, müsse der Bund die Einsätze koordinieren. Die wirtschaftlichen Auswirkungen müssten begrenzt werden, sagte er in Berlin nach einer Schaltkonferenz des nationalen Krisenstabes, an der neben Bund und Ländern auch Vertreter der Geflügelwirtschaft teilgenommen hatten.
Der Minister kritisierte das Vorgehen des zuständigen Landkreises auf der Insel Rügen. Wenn schon kein rascher Abtransport der toten Schwäne möglich gewesen sei, hätte es wenigstens Absperrungen geben müssen. Dies sei nicht erfreulich gewesen. »Solche Bilder gehen um die Welt.« Das könne erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben. Deutschland werde unter anderem bei der Frage möglicher Exportbeschränkungen für heimisches Geflügel daran gemessen, wie konsequent die Tierseuche bekämpft werde.
Nach Ansicht des Schweriner Agrarministers Till Backhaus (SPD) hätte der Landkreis Rügen Katastrophenalarm ausrufen müssen. »Wir hätten dann anders agieren können«, sagte Backhaus. Bundeswehrsoldaten hätten beim Einsammeln toter Vögel helfen können Das Land schickte Backhaus zufolge 67 Helfer mit 20 Fahrzeugen sowie 100 Schutzanzüge. Der Landkreis habe 400 Portionen des Grippemittels Tamiflu für die Helfer bereitgestellt.
Der Amtsleiter von Rügen-Nord, Karl-Heinz Walter, wies die Kritik am Krisenmanagement der örtlichen Behörden zurück. Es fehle ein schneller Draht zu Entscheidungsträgern, bemängelte er am Freitag. Der Vogelgrippe-Alarm habe deutlich gemacht, dass alles viel zu lange dauere, nicht zuletzt wegen der »Ohnmachtsbürokratie«. »Wir mussten Desinfektionsmittel erst in Apotheken bestellen«, sagte der Amtsleiter.
Bundeslandwirtschaftsminister Seehofer rechnet in den nächsten Tagen mit dem Bekanntwerden weiterer Vogelgrippe-Fälle in Deutschland. Die Bundesländer müssten sich darauf einstellen, dass sich die Krankheit geographisch in Deutschland ausbreite.
Neuartige Impfstoffe gegen die Vogelgrippe werden nach Angaben des Bundesforschungsinstitutes für Tiergesundheit auf der Insel Riems in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung stehen. Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus (SPD) hatte am Freitag erneut gefordert, auf der Insel Riems die Entwicklung eines so genannten Marker-Impfstoffes voranzutreiben, der geimpfte von ungeimpften infizierten Tieren unterscheidbar mache.

Artikel vom 18.02.2006