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Künzel und Angerer sind im
Silber-Endspurt unwiderstehlich

Langlauf-Staffeln gewinnen Medaillen - Teichmann als Glücksbringer

Turin (dpa). Dank »Angerer-Spirit« und Teichmann-Schub sind die deutschen Skilangläufer gestern wie die Damen 24 Stunden zuvor zu Staffel-Silber gestürmt. Mit einem furiosem Endspurt sicherte Tobias Angerer dem deutschen Quartett über 4 x 10 Kilometer den zweiten Platz hinter Italien.
Der Bayer wurde dafür von seinen Teamkollegen Andreas Schlütter, Jens Filbrich und René Sommerfeldt ausgelassen gefeiert. Doch für Angerer war ein anderer der Held. »Wir sind heute für Axel gelaufen«, sagte der Schlussläufer über den verletzten Vorjahres-Weltcupsieger Axel Teichmann. »Allein die Tatsache, dass er da ist, hat uns viel Druck genommen. Er ist unser Leader, er beflügelt uns.«
Zum Zeitpunkt des deutschen Herren-Erfolges hatte das flotte Damen-Quartett mit Steffi Böhler, Viola Bauer, Evi Sachenbacher- Stehle und Claudia Künzel seine Medaillen bereits gebührend begossen. Im Deutschen Haus war es hoch hergegangen, nachdem die »Silver-Girls« hinter Olympiasieger Russland für eine Überraschung gesorgt hatten.
»Endlich eine richtige Siegerehrung in Turin. Das habe ich mir so gewünscht, und nun kann ich es mit der Mannschaft gemeinsam genießen«, meinte Angerer. Er selbst hatte mit seinem dritten Platz über 15 Kilometer im klassischen Stil für den Befreiungsschlag der DSV-Läufer gesorgt. »Ich habe gleich vom Angerer-Geist gesprochen«, meinte Filbrich. Der Frankenhainer sah das Team durch Angeres Medaille vom Druck befreit. »Staffeln sind nun mal der Höhepunkt, da will man vorn dabei sein. Schön, dass durch die Bronzemedaille von Tobi die Last des Müssens schon vorher genommen war«, betonte Schlütter, der am Start lief.
Teichmann erwies sich auch gestern als Glücksbringer. Seit der am Oberschenkel operierte Thüringer in Pragelato ist, gab es drei Medaillen für den DSV. »Er hat allen einen Schub gegeben«, so Sportdirektor Thomas Pfüller.
Angerer & Co. ließen nie einen Zweifel aufkommen, nach Staffel- Bronze in Salt Lake City erneut Edelmetall einheimsen zu wollen. Selbst als Sommerfeldt auf der dritten Schleife dem Höllentempo der Italiener und Schweden nicht folgen konnte, wurde Bundestrainer Jochen Behle nicht unruhig. »Der Tobi ist der Stärkste unserer Läufer. An Italien war kein Herankommen mehr, aber an Silber habe ich geglaubt«, sagte der Coach. Mit einem unwiderstehlichen Spurt sicherte der Weltcup-Spitzenreiter aus Vachendorf Platz zwei vor Schweden.
Dramatik pur hatten die Zuschauer auch in der Damen-Staffel erlebt. Trotz Führung beim letzten Wechsel schien eine Medaille für die deutschen Damen gut einen Kilometer vor dem Zielweg zu sein. Claudia Künzel hatte am letzten Berg den Attacken von Russland, Schweden und Italien nichts entgegenzusetzen.
»Ich hatte mir mit Sportdirektor Pfüller noch 40 Meter vor dem Ziel eine Erklärung zurecht gelegt, warum Platz vier als Erfolg zu werten ist«, sagte DSV-Chef Alfons Hörmann. Doch Künzel sorgte mit einem furiosen Finish für ein Happy End. »So einen Spurt habe ich in den vergangenen Jahren nicht erlebt«, lobte Hörmann.
»Ich habe an mich geglaubt. Der Sprint war nur noch Kraft und Technik. Ich bin um mein Leben gerannt«, schilderte Künzel. »Die Medaille haben sich die Mädchen verdient. Sie ist Lohn für die vielen Entbehrungen«, lobte Behle. Die immer noch durch die Diskussionen um ihren zu hohen Hämoglobinwert belastete Evi Sachenbacher-Stehle fügte hinzu: »Jetzt habe ich es allen gezeigt. Das war meine kleine Rache.«

Artikel vom 20.02.2006