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»Stephanie ist sehr tapfer«

Der mutmaßliche Sexualverbrecher schweigt

Dresden (dpa). Im Fall der entführten und sexuell misshandelten 13-jährigen Stephanie aus Dresden werden jetzt mögliche Ermittlungspannen untersucht.Der 35-jährige arbeitslose Anlagenbauer wird von der Polizei abgeführt. Foto: dpa

Das Landespolizeipräsidium sei damit beauftragt worden, sagte gestern Polizeipräsident Dieter Hanitsch. Der mehrfach vorbestrafte Sexualstraftäter, der die Schülerin fünf Wochen in seiner Gewalt hatte, stand nicht im Visier der Polizei, da seine neue Adresse nicht bekannt war. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) forderte unterdessen eine bundesweite Meldepflicht für Sexualstraftäter.
Nach Ansicht des sächsischen Bundes Deutscher Kriminalbeamten wurden die Ermittlungen durch den Datenschutz behindert. »Datenschutz ist Täterschutz«, sagte der Landesvorsitzende Uwe Baumert. Probleme, die sich aus unterschiedlichen Datensystemen und Datenschutzbestimmungen ergeben, würden nun den Beamten in die Schuhe geschoben. Der Wohnortwechsel vorbestrafter Sexualtäter müsse extra bei Meldeämtern abgefragt werden.
Die - wie berichtet - am vergangenen Mittwoch befreite 13-Jährige befindet sich mit ihren Eltern weiter an einem geheimen Ort. »Das Mädchen hält sich sehr tapfer«, sagte Staatsanwalt Christian Avenarius. Das Kind sei weiter befragt worden. Angaben zum Inhalt wollte er mit Rücksicht auf die weiteren Ermittlungen nicht machen.
Die Spurensuche in der Wohnung des Täters sei nahezu abgeschlossen, sagte Avenarius. Das Mädchen hatte nur wenige 100 Meter von der Wohnung der Eltern entfernt ein Martyrium erlebt, das auch von Nachbarn nicht bemerkt wurde. Gegen den arbeitslosen Anlagenbauer war am Donnerstag Haftbefehl wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und Freiheitsberaubung erlassen worden. Bislang schweige der Mann, sagte Avenarius. Er war 1999 wegen Kindesmissbrauchs zu drei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt worden. Beim unauffälligen Verlauf einer Bewährungsauflage gebe es keinen Datenabgleich zwischen Justiz und Polizei, sagte Avenarius. Der Mann war nach Ablauf von zwei Dritteln der Strafe 2002 entlassen worden.
Eine Gutachterin verteidigte ihre nach der ersten Sexualstraftat abgegebene optimistische Prognose. Der 35-Jährige habe seine Tat bedauert und sich »intensiv« damit auseinander gesetzt, sagte sie. Deshalb habe sie in ihrem Gutachten von 2002 auch »keine Therapie vorgeschlagen«.
Der mutmaßliche Täter hatte das Mädchen auf dem Schulweg abgepasst, in seinen Wagen gezerrt und in seine Wohnung gebracht. Dort wurde es zeitweise in eine Kiste gesperrt. Vermutlich bei nächtlichen Ausgängen mit den Hunden des Mannes gelang es dem Kind, mehrere Zettel mit Hilferufen auszulegen, die dann zu der Befreiung führten.

Artikel vom 20.02.2006