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»Ich habe kein Edelmetall verloren«

Eisschnelllaufen: Anni Friesinger freut sich auch über die Bronzemedaille

Turin (dpa). Erst schüttelte sie ein wenig enttäuscht den Kopf, doch dann brach bei Anni Friesinger die Freude über die Bronzemedaille aus. Im olympischen 1000-Meter-Rennen von Turin hatte sie um die Winzigkeit von 0,06 Sekunden oder 78 Zentimeter das Gold verloren.

Ausgerechnet ihre beste Freundin Marianne Timmer aus den Niederlanden und die Kanadierin Cindy Klassen verstellten ihr diesmal den Weg nach ganz oben.
Die erwartete Haupt-Konkurrentin Cindy Klassen, die sich im Team-Finale geschont hatte, knackte gestern Abend noch vor der Eispause den Bahnrekord von Friesinger (1:16,09), wurde aber wenig später von Marianne Timmer in 1:16,05 unterboten. An der Zeit von Timmer, die schon 1998 Doppel-Olympiasiegerin war, biss sich Anni Friesinger die Zähne aus und musste auch Klassen den Vortritt lassen.
8000 Zuschauer im Oval Lingotto, darunter wieder fast 5000 Oranje-Fans, bejubelten die drei Medaillen-Gewinnerinnen mit Standing Ovations. »Nie hätte ich damit gerechnet. Ich dachte, Anni hatte ein perfektes Rennen. Ich kann es immer noch nicht glauben, aber es steht auf der Anzeigetafel«, sagte Marianne Timmer.
»Das war so spannend. Ich dachte, dass das Eis noch einen Zacken schneller ist«, sagte Anni Friesinger im ZDF-Interview hustend und noch völlig atemlos. Von Enttäuschung konnte überhaupt keine Rede sein. »Ich hab' ein Edelmetall gewonnen - ich kann nicht sehen, dass ich irgendetwas verloren habe«, meinte die 29-jährige Wahl-Salzburgerin und grüßte nach der Blumen-Zeremonie ihre Freundin Marianne. »Ich bin jetzt so froh, dass ich gemeinsam mit ihr auf dem Podium bin.« Der Sieg im Teamwettbewerb habe ihr Auftrieb gegeben: »Emotional war das so ein Rückenwind.«
Bis gestern hatte die deutsche Ausnahmeläuferin in dieser Saison noch kein Rennen über 1000 Meter verloren. Und die Super-Serie hätte fast gehalten. Schmunzelnd präsentierte Anni Friesinger eine »Ausrede« für den knapp verpassten Sieg: »Vielleicht hätte ich nach dem Team-Gold mehr feiern sollen - die Askese ist nichts für mich.« Der Coup im Einzelrennen, das wär's gewesen, aber »ich hab' doch schon Gold im Nachtkästchen liegen«.
Der Triumph in der Mannschafts-Verfolgung drei Tage zuvor hatte offensichtlich viel Kraft gekostet. Über schwere Beine und verschleimte Atemwege hatte die Weltmeisterin noch am Abend vor dem Rennen geklagt. ĂŠAber möglicherweise gibt im Hause Friesinger auch bald weiteren Grund zum Feiern, wenn für Anni und ihren Freund Ids Postma die Hochzeitsglocken läuten: »Ich warte weiter auf einen Antrag. Doch er muss sich schon etwas Besonderes einfallen lassen. Mit Ring und so. Dann sage ich auch ja.«

Artikel vom 20.02.2006