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»Rotkäppchen« feiert
den goldenen Triumph

Kati Wilhelm ist jetzt die erfolgreichste Skijägerin

Turin (dpa). Für Kati Wilhelm war es eine Goldmedaille »zum Genießen«: Mit einem Vorsprung von 1:13,6 Minuten stürmte die 29 Jahre alte Thüringerin beim Verfolgungsrennen über 10 Kilometer zum überlegensten Sieg einer Biathletin in der Olympia-Geschichte.
Bronze-Belohnung: Routinier Sven Fischer.

Als sie mit Freudentränen in den Augen endlich die heiß ersehnte Goldmedaille um den Hals hängen hatte, war das am Samstagabend zudem die Krönung des bisher erfolgreichsten olympischen Tages für die deutschen Biathleten.
Wilhelm hatte im dichten Schneetreiben von San Sicario den Durchblick behalten und war nach den Pleiten im Einzel und Sprint überglücklich. Zugleich kürte sie sich mit der dritten Goldmedaille in ihrer Karriere zur erfolgreichsten Skijägerin bei Winterspielen. Den Medaillensatz komplett machten Martina Glagow (Mittenwald) als Zweite sowie der Oberhofer Sven Fischer auf Rang drei bei den Herren.
Nahezu eine kleine Ewigkeit konnte sich das »Rotkäppchen« im Ziel von den 12 000 Zuschauern feiern lassen. Erst dann fiel ihr die völlig ausgepumpte Teamkollegin Martina Glagow um den Hals. Bronze ging an die Russin Albina Achatowa. Die von Platz sieben gestartete Wilhelm übernahm auf »Raketenski« nach dem ersten Schießen die Führung und baute sie trotz eines Fehlers beim ersten Stehend-Anschlag ständig aus. Bereits nach dem letzten Schießen hatte Wilhelm die Siegerfaust geballt und war mit einem breiten Lachen Richtung Ziel gefahren. »Die letzten zwei Kilometer waren zum Genießen. Ich hatte es allen gezeigt. Die Medaille war sicher und ich war einfach glücklich«, erzählte Wilhelm. Nach der Blumen-Zeremonie fiel sie mit Tränen in den Augen ihren Eltern Margot und Gerhard um den Hals. »Es war toll, dass sie dabei sein konnten. Vor vier Jahren haben sie am Fernseher mit mir gelitten.«
Glagow überholte auf von Andrea Henkel ausgeliehenen Ski am letzten Berg Albina Achatow: »Eigentlich war es mir egal, ob's Silber oder Bronze wird, doch dann wollte ich es wissen. Das war reiner Wille«, strahlte sie.
»Was Kati gezeigt hat, war Biathlon vom Feinsten. Schnellste Laufzeit und 95 Prozent Treffer. Das erlebt man bei Olympia nicht häufig«, sagte Bundestrainer Uwe Müssiggang. Die 50. und 51. Medaille bei Winterspielen und Weltmeisterschaften unter seiner Regie als Damen-Cheftrainer waren für Müssiggang eine schöne Zugabe. »Ich habe vor zwei Jahren mit dem Zählen aufgehört«, bemerkte er schmunzelnd.
Anschließend rettete der Oberhofer Sven Fischer nach vier Fahrkarten beim Liegendschießen nach toller Aufholjagd in der 12,5 km langen Herren-Verfolgung noch Bronze. »Das war ein erkämpfter dritter Platz und nicht verlorenes Gold oder Silber. Beim Liegendschießen hab' ich ganz schön Mist gebaut«, sagte Fischer. Er war bis auf Position sechs zurückgefallen und hat mit nunmehr sieben Medaillen (3/2/2) mit Ricco Groß (Ruhpolding/3/3/1) gleich gezogen. Erfolgreichster Medaillensammler bleibt jedoch der Norweger Ole Einar Björndalen (5/3/0). Allerdings unterlag »König Ole« im Spurt auf der Zielgeraden überraschend dem Franzosen Vincent Defrasne, so dass der Seriensieger von Salt Lake City sein großes Ziel abschreiben muss, bereits in Turin wie sein nicht mehr aktiver langlaufender Landsmann Björn Daehlie auf acht Goldmedaillen zu kommen.

Artikel vom 20.02.2006