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Lange und Kuske
im Schneetreiben
mit »Durchblick«

Deutscher Zweierbob erringt Gold

Turin (dpa). Erst am Start gepatzt, dann die Konkurrenz geputzt: Im dichten Schneegestöber von Cesana hat Andre Lange den Überblick behalten und den ersehnten Olympiasieg im Zweierbob eingefahren.

Nach seiner Goldfahrt im Olympia-Eiskanal trommelte der Oberhofer überglücklich auf seinen Schlitten und nahm den erleichterten Anschieber Kevin Kuske in die Arme. Vergessen war im Moment des Triumphes der kapitale Startfehler des 108-Kilo-Mannes, der das Unternehmen »Doppel-Gold« in Turin im zweiten Lauf kurzzeitig gefährdet hatte.
»Ich bin glücklich und erleichtert. Man muss nur nach oben in den Himmel schauen, dann weiß man, wie wertvoll dieser Sieg ist«, sagte der Viererbob-Olympiasieger von 2002, der im kleinen Schlitten die Nachfolge seines einstigen Dauerrivalen Christoph Langen antrat. Wie schon in Salt Lake City fuhr er auf seinen alten DDR-Kufen zu Gold. Seinen Hintermann nahm Lange ausdrücklich in Schutz: »So einen Ausrutscher hat jeder Bremser einmal in seiner Karriere. Heute können wir darüber schon wieder lachen, und das ist das Wichtigste.«
Mit 21/100 Sekunden Vorsprung verwies das Duo nach vier Läufen Weltmeister Pierre Lueders auf Rang zwei vor dem Schweizer Martin Annen, der wie vor vier Jahren Olympia-Bronze gewann. »Ich habe gewusst, dass Andre nach dem Malheur stocksauer ist und noch einmal ein paar Prozent drauflegt«, meinte der Kanadier deutscher Abstammung.
Der Riesaer Matthias Höpfner verspielte seine Chance auf Bronze mit zwei Fehlern im dritten Lauf und wurde Fünfter. »Ab der Hälfte der Strecke habe ich nichts mehr gesehen, daher war ich überrascht, dass die Zeit noch so gut war. Mir müssen auf Grund des Startrückstandes schon vier perfekte Läufe gelingen, damit es für eine Medaille reicht. Doch auf dieser Bahn ist dies fast unmöglich«, sagte der 30-jährige Sachse.
Ausnahmepilot Lange, der auch im zweiten Lauf die Nerven behielt, als Kuske beim Start bäuchlings in den Bob stürzte, sich wieder aufrappelte und gerade noch im Schlitten landete, bewies einmal mehr seine Fähigkeiten an den Lenkseilen. »Die Strecke ist sehr schwierig, doch Andre mag solche Bahnen«, meinte Heimtrainer Matthias Trübner, der schon nach dem Missgeschick prophezeit hatte: »Wer mit so einem Ding noch führt, der wird auch Olympiasieger.« Kuske meinte zu seinem Patzer nur: »Ich habe mich turnerisch doch gut gerettet.«
Seinen Frieden mit der Bahn hat nun auch Cheftrainer Raimund Bethge gefunden, der am 30. November in Kurve 10 von einem australischen Zweierbob angefahren und schwer verletzt worden war. »Unglaublich, dass Andre mit dieser Gurke durchkommt, so etwas gibt es nur alle paar Jahre. Das ist einer der schönsten Siege in meiner Laufbahn. Die Anstrengungen haben sich gelohnt. Auf Andre ist eben Verlass«, meinte der 58-Jährige, der noch nach dem dritten Lauf einen Abbruch des Rennens gefordert hatte: »Die Piloten sehen bei dem Schneefall kaum etwas.« Lange hatte sich für Olympia seinen Kampfschnitt zugelegt und die Haare frisch blondiert.

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Artikel vom 20.02.2006