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Letzte SMS aus dem Schlamm

Kaum noch Hoffnung auf Überlebende - Mehr als 1000 Tote befürchtet

Manila (dpa). Nach dem verheerenden Erdrutsch auf den Philippinen rechnen offizielle Stellen mit weit mehr als 1000 Toten. Die Hoffnung auf Überlebende ist rapide gesunken.
Bis zu zehn Meter hoch bedeckt der Schlamm das verschüttete Dorf. Fotos: Reuters

Zwei Tage nach dem Unglück in dem Dorf Guinsaugon in der Provinz Süd-Leyte gaben die Katastrophenschutzbehörden gestern die Zahl der Vermissten mit 1370 an, darunter auch 250 Grundschüler und Lehrer, die in ihrer Schule verschüttet wurden. Die Einsatzkräfte konzentrieren sich nunmehr darauf, die Toten zu bergen und die Überlebenden mit Hilfsgütern zu versorgen.
Helfer fanden zunächst 72 Leichen. Nach Einschätzung eines Rot-Kreuz-Mitarbeiters betrug bereits 24 Stunden nach dem Erdrutsch die Chance, noch auf Überlebende zu stoßen, nur noch zehn Prozent. Nach Angaben vom Samstag entkamen 635 der etwa 3000 Einwohner des Dorfes der Katastrophe. Nach wochenlangen Regenfällen und einem Erdbeben der Stärke 2,6 war - wie berichtet - am Freitag ein großer Teil eines Berges ins Rutschen gekommen. Die gewaltige Lawine aus Tonnen rötlichen Schlamms, Gerölls und Kokospalmen hatte den Ort mit hunderten Häusern und Hütten vollständig unter sich begraben.
Unklar blieb das Schicksal der eingeschlossenen Grundschüler und ihrer Lehrer. Angehörige hatten am Samstag berichtet, in der Nacht SMS-Botschaften der Verschütteten erhalten zu haben. Einer der Lehrer habe seiner Mutter geschrieben: »Wir sind alle in einem Raum und am Leben.« In einer Textnachricht eines Schülers habe es geheißen: »Wir sind am Leben. Grabt nach uns.« Laut Behörden ist nun jedoch das Schlimmste zu befürchten, da seit der Nacht zum Samstag niemand mehr SMS-Botschaften von den Eingeschlossenen erhielt.
Unterdessen erreichte internationale Hilfe Guinsaugon. Ein Vorausteam amerikanischer Soldaten sowie Einsatzkräfte aus Malaysia und Taiwan trafen in dem Dorf ein. Die USA entsandten zudem zwei Marineschiffe und 17 Hubschrauber, um sich an dem Such- und Rettungseinsatz zu beteiligen. Unter anderem die Vereinten Nationen, China und Australien sagten Hilfe zu. Peking stellte umgerechnet 850 000 Euro zur Verfügung.
Ein US-Militärarzt erklärte: »Es ist sehr schwer voranzukommen, weil es dort nur hektarweise Schlamm gibt.« Schweres Räumgerät konnten die Helfer nicht einsetzen, weil es in dem bis zu zehn Meter tiefen Schlamm einsinken würde.
Die Einsatzkräfte mussten sich stattdessen mit bloßen Händen und Schaufeln vorarbeiten. Am Wochenende hatte zudem anhaltender Regen und dichter Nebel die Such- und Rettungsarbeiten stark behindert.
Umweltschützer und Politiker sehen in massivem Raubbau an den Wäldern einen wichtigen Grund für die Tragödie. Es habe schon früher Hinweise darauf gegeben, dass der Holzeinschlag und die Zunahme extremer Wettererscheinungen die Folgen solcher Katastrophen verstärkten, hieß es von der Umweltschutzorganisation Greenpeace.

Artikel vom 20.02.2006