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Stewardessen spielten Gitarre
50 Jahre Condor: Den Namen erhielten die Ferienflieger der Lufthansa von Rudolf August Oetker
Es war die Zeit des beginnenden Wirtschaftswunders. Petticoats und Hula-Hoop- Reifen flogen durch die Luft, Elvis ließ die Mädchenherzen höher fliegen -Êund auch eine neue Airline hob ab: Am 29. März 1956 nahm die Deutsche Flugdienst GmbH ihren Dienst auf.
Drei zweimotorige Propellerflugzeuge vom Typ Vickers Viking mit je 36 Sitzen bildeten die Grundausstattung, um Mallorca und Teneriffa anzufliegen. Der Jungfernflug jedoch war keine Urlaubsreise, sondern eine Pilgerfahrt. Alle drei Maschinen starteten mit je 36 amerikanischen Christen von Frankfurt aus ins Heilige Land. Zehn Stunden dauerte seinerzeit solch ein Flug nach Israel.
Vier Gesellschafter feierten seinerzeit die gelungene Premiere: Der Norddeutsche Lloyd und die Hamburg-Amerika-Linie hielten je 27,75 Prozent, die Lufthansa 26 Prozent und die Deutsche Bundesbahn 18,5 Prozent. Das neue Unternehmen legte einen gelungenen Start hin, doch der Charterverkehr wuchs nicht so rasant, wie es die Experten prognostiziert hatten, und so geriet die DFG nach dem guten Auftakt schnell in Schwierigkeiten. 1960 wurde die Lufthansa Alleineigentümerin der DFG und sinnierte über einen zugkräftigeren Namen. Da war doch noch was...
Richtig, eigentlich gab es ja bereits seit Dezember 1927 eine Luftfahrtgesellschaft namens »Condor«, die sogar eine Tochter der Lufthansa war. Die brasilianische »Syndicato Condor Ltda« war in Rio de Janeiro aus der Taufe gehoben worden. Doch als die DFG auf der Suche nach einem griffigeren Namen für die Airline auf eben diesen naheliegenden Namen »Condor« verfiel, gab es ein böses Erwachen.
Denn zum Bielefelder Oetker-Konzern gehörte seinerzeit die 1957 gegründete »Condor Luftreederei«. Der ehemalige Lufthansa-Vorstand Hans Bongers erinnert sich: »Mit dem Namen verbanden sich allerdings für uns Erinnerungen an Pionierleistungen in Südamerika. Also sondierten wir bei Rudolf August Oetker in Bielefeld und stellten fest, dass mit ihm über eine Veräußerung der Firma samt Flugzeugen zu reden sei. Am 22. März 1961 kaufte die Lufthansa Oetker das Unternehmen ab, fusionierte es mit der DFG und nannte das neue Unternehmen Condor Flugdienst.«
Die Lufthansa hatte den richtigen Riecher, denn die Delle im Geschäft war nur ein Schönheitsfehler, der 1962 bereits kompensiert war. Von da ab schrieb Condor Rekordzahlen und stellte 1971 und 1972 sogar zwei Jumbo-Jets in Dienst - das kam dem Ritterschlag im Tourismusgewerbe gleich, wie der damalige Geschäftsführer Herbert Wendlik es formulierte. Aber mit den großen Maschinen kamen auch logistische Probleme: Weil die Passagiermassen aus dem Jumbo auf Mallorcas kleinem Flughafen nicht abgefertigt werden konnten, fand die Passkontrolle der Spanier schon während des Fluges statt.
Im gleichen Jahr schrieb das Unternehmen auch deutsche Geschichte, denn erstmals landete ein Flieger aus der Bundesrepublik in der DDR: Condor brachte viele Messegäste nach Leipzig.
Vieles, was seinerzeit den Charme einer Flugreise ausmachte, wäre heute undenkbar. Statt einen Film zu zeigen, mussten sich die Stewardessen zur Unterhaltung der Gäste als Quizmaster betätigen. Die Gewinner durften die anschließende Landung am Ziel im Cockpit miterleben. Flugbegleiter spielten Gitarre -Êund der Frankfurter Frisör Jürgen Tröndle schnitt Fluggästen an Bord sogar die Haare. Eine Flugreise zu unternehmen, das galt damals als Statussymbol. Entsprechend fein kleideten sich die Gäste, die Jeans wurde erst in den 70er Jahren bordfähig.
Doch die 70er Jahre bescherten den Managern auch die Erkenntnis, dass der Luftverkehr zunehmend unter äußeren Einflüssen leidet. Die Ölkrise von 1973/74 war ein erster Warnschuss, Einbrüche bei den Passagierzahlen folgten -Êund dennoch ging es unter dem Strich weiter bergauf.
1983 wurde der 25millionste Fluggast begrüßt, 1985 der erste Airbus in Dienst gestellt, 1989 schließlich folgte der Einstieg in den Einzelplatzverkauf an Endkunden.
Die 90er Jahre wurden wieder zur einzigen Erfolgsgeschichte: 1991 führte das Unternehmen die Business Class auf ihren Flügen ein. Auch das Geschäft im Ausland lockte: 1993 bot man erstmals Flüge ab Österreich und Luxemburg an. 1995 stieg das Unternehmen mit 40 Prozent bei der türkischen Sun Express ein.
Die 90er Jahre waren auch der Beginn einer großen Neustrukturierung des touristischen Marktes in Deutschland. Die Airline wurde mit Neckermann zum integrierten Tourisktikkonzern C&N verschmolzen, der bis heute zu gleichen Teilen Lufthansa und dem Karstadt-Konzern gehört. Böse bestraft wurde das Unternehmen für den folgenschweren Entschluss, mit der Umbenennung von C&N in Thomas Cook den einst von Oetker gekauften Namen Condor zu eliminieren. Nein, mit der ihnen unbekannten Thomas-Cook-Airline wollten die Passagiere nicht fliegen und liefen scharenweise zur Konklurrenz, auch zu den neu am Markt operierenden Billigfluggesellschaften über.
Da zugleich der deutsche Markt von Überkapazitäten gekennzeichnet war, kam es zur schweren Krise: Plötzlich galten die Airlines im Touristikkonzern als kostenträchtiges Risiko. Der Cook-Konzern stellte sich notgedrungen darauf ein: Vorstand Stefan Pichler musste gehen, der Name Condor kehrte zurück, gleichzeitig wurde eine neue Preisstruktur ähnlich zu den Low-Cost-Carriern eingeführt. Thomas Albertsen

Artikel vom 18.03.2006