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Kürzung bei jungen Arbeitslosen

Linkspartei: Angriff auf Bürgerrechte - ALG II im Osten auf Westniveau

Berlin (Reuters/dpa). Der Bundestag hat am Freitag Korrekturen an der Arbeitsmarktreform Hartz IV beschlossen, die Kürzungen für junge Arbeitslose und eine Anhebung des Arbeitslosengeldes II im Osten auf das West-Niveau von 345 Euro im Monat vorsehen.
Das mit den Stimmen von Union und SPD verabschiedete Paket stieß bei Linken und Grünen auf Kritik. Die Verschärfungen seien »ein Angriff auf junge Menschen, ein Angriff auf die Bürgerrechte«, sagte die Sozialexpertin der Linken, Katja Kipping. FDP-Arbeitsmarktexperte Dirk Niebel warf der Koalition vor, sie setze Flickwerk aus Zeiten der rot-grünen Regierung fort.
SPD-Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner aus Gütersloh verteidigte die Kürzungen für junge Arbeitslose zwischen 18 und 25 Jahren, die noch zu Hause wohnen: »Es kann nicht Aufgabe des Staates sein, ein Auszugsprogramm für Jugendliche zu organisieren.« Arbeitslose zwischen 18 und 25 Jahren erhalten künftig nur noch 80 statt 100 Prozent des Regelsatzes von 345 Euro, wenn sie noch bei den Eltern leben. Ihr Auszug aus der Elternwohnung wird nur noch eingeschränkt unterstützt. Die Koalition verspricht sich von den Kürzungen Einsparungen von etwa 600 Millionen Euro. Sie sollen zum 1. Juli in Kraft treten, werden aber in der Praxis wegen technischer Probleme wohl nicht vor 2007 voll wirksam.
Union und SPD verteidigten die Kürzungen bei jungen Arbeitslosen. »Da sind junge Leute auf Kosten des Staates ausgezogen, weil sie den großzügigen Rechtsrahmen genutzt haben«, sagte Gerald Weiß (CDU). »Das ist ein Mitnahmeeffekt, den wir nicht wollen.« Brandner stellte klar, dass bereits ausgezogene junge Arbeitslose nicht in die Elternwohnung zurückkehren müssten und weiter in voller Höhe das Arbeitslosengeld II erhalten. »Weder Zwangsfamilien noch Zwangsräumung sind hier angesagt«, sagte Brandner. Als Stichtag gilt allerdings nicht das In-Kraft-Treten der Regelung am 1. Juli, sondern mit Beschluss des Bundestages der 17. Februar. Demjenigen, »der bis heute ausgezogen ist«, werde die Wohnung nicht weggenommen, bekräftigte Arbeits-Staatssekretär Gerd Andres (SPD).
Linksfraktion und Grüne stimmten gegen die Änderungen, während sich die FDP enthielt. Kipping warf der Koalition vor, sie degradiere volljährige Arbeitslose zu Minderjährigen im Verhältnis zu ihren Eltern.
Grünen-Sozialpolitiker Markus Kurth sprach von einem »kruden und unsystematischen Spargesetz«. Die behauptete Kostenexplosion im Arbeitslosengeld II sei nicht belegt. FDP-Generalsekretär Niebel unterstützte zwar die Kürzungen, warf der Koalition aber vor, das Gesetz sei untauglich: »Es wird in der Praxis kaum handhabbar sein.«
Die Auszahlung des um 14 Euro erhöhten Arbeitslosengeldes II im Osten von Juli an ist nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit sichergestellt. Vom 1. Januar 2007 an zahlt der Bund für die Langzeitarbeitslosen an die Rentenkassen zudem nur noch 40 statt bislang 78 Euro im Monat. Dies soll den Bundesetat um zwei Milliarden Euro entlasten.
Die Angleichung des Arbeitslosengeldes II im Osten an das höhere Westniveau nannte Kipping eine Selbstverständlichkeit. Sie forderte für die Arbeitslosen im Osten eine Erstattung der Differenz, die sie seit In-Kraft-Treten der Reform Anfang 2005 weniger erhalten hätten. » Seit 14 Monaten prellen Sie nun schon die ostdeutschen Arbeitslosen um 14 Euro pro Monat«, sagte Kipping an die Adresse von Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD).

Artikel vom 18.02.2006