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Viele Tote bei Protest
im Karikaturen-Streit

In Paderborn friedliche Kundgebung hiesiger Muslime

Bielefeld (WB/hh/dpa). Bei gewaltsamen Protesten gegen die Mohammed-Karikaturen sind am Wochenende Dutzende Menschen ums Leben gekommen. Friedlich wurde dagegen in Paderborn und anderen deutschen Städten demonstriert.
In Nigeria schlugen am Samstag Demonstrationen in Gewaltakte gegen die christliche Minderheit in dem westafrikanischen Ölland um. Mehrere Dutzend Menschen wurden getötet. In Libyen wurden elf Demonstranten von den Sicherheitskräften erschossen, als sie am Freitag versuchten, das italienische Konsulat in Bengasi zu stürmen. Ihre Wut richtete sich gegen den italienischen Reformminister Roberto Calderoli, der provokativ ein T-Shirt mit den umstrittenen dänischen Karikaturen getragen hatte. Calderoli, der der populistischen Liga Nord angehört, musste am Samstag zurücktreten.
Gewaltakte in Nigeria wurden aus zwei Bundesstaaten im Norden des Landes gemeldet. Augenzeugen berichteten, mindestens 18 Kirchen seien zerstört und Geschäfte von Christen geplündert worden. Mindestens 140 Menschen wurden festgenommen. Das westafrikanische Land hat bisher die meisten Todesopfer im Zusammenhang mit den Satirezeichnungen. Im Norden Nigerias war es in der Vergangenheit schon mehrfach zu gewaltsamen Ausschreitungen zwischen Christen und Muslimen gekommen.
Der Minister für das Gemeinwohl von Minderheiten des bevölkerungsreichsten indischen Bundesstaats Uttar Pradesh, Haji Yaqoob Quereshi, hat ein Kopfgeld von umgerechnet knapp zehn Millionen Euro für die Ermordung der Karikaturisten versprochen. Die Vereinigung der Goldschmiede in der pakistanischen Nordwest-Grenzprovinz lobte eine Million US-Dollar aus.
Unterdessen gingen Demonstrationen in verschiedenen Ländern weiter. Zehntausende Anhänger einer islamischen Partei protestierten in Istanbul gegen die als beleidigend empfunden Karikaturen des Propheten Mohammed. Die von der außerparlamentarischen Saadet-Partei organisierte Kundgebung verlief äußerst diszipliniert. In Indonesien bewarfen 300 radikale Muslime bei Protesten die US-Botschaft in Jakarta mit Steinen und Eiern und versuchten, das Gelände zu stürmen.
In der pakistanischen Hauptstadt Islamabad versammelten sich trotz Demonstrationsverbots etwa 2000 Anhänger einer islamistischen Partei. Die Polizei löste die Veranstaltung mit Tränengas und Schlagstöcken auf.
Der saudi-arabische König Abdullah warnte davor, die Kontroverse um die dänischen Mohammed-Karikaturen als Ausdruck eines »Kampfes der Kulturen« zu werten. Der Monarch appellierte, sich für eine Verbreitung der Idee eines friedlichen Miteinanders einzusetzen.
Unter dem Motto »Paderborner Muslime für Frieden ohne Provokation« protestierten 700 Muslime am Samstag vor dem Paderborner Rathaus gegen die Mohammed-Karikaturen. Damit werde der Prophet blasphemisch »in schamloser und unzivilisierter Weise« beleidigt, heißt es auf einem von sieben islamischen Organisationen heraus gegebenen Flugblatt. Die Verfasser sprechen von einer Kampagne, die nur dem rechtsradikalen Gedankengut zugute komme.
Der jetzige Streit sei erst die Spitze eines Eisbergs«, glaubt die stellvertretende Vorsitzende des Paderborner Ausländerbeirats, Sabah Ahmed-Brockmann. Vor allem der Nachdruck der dänischen Karikaturen in französischen und deutschen Medien zeige »die wachsende Intoleranz gegen uns Muslime«. Muslime würden in Deutschland ausgegrenzt, Chancengleichheit sei nicht gegeben, die Integrationspolitik gescheitert.

Artikel vom 20.02.2006