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Bockwurst am Schuh
führt zu Sturz im Markt

Versicherung will Schadenersatz - Vergleich möglich

Von Uwe Koch
Bielefeld (uko). Im Landgericht Bielefeld ging's wirklich »um die Wurst«: Weil eine Rentnerin in einem Supermarkt auf einer Scheibe Bockwurst ausgerutscht war, verklagte ihre Krankenversicherung jetzt den Lebensmittelmarkt auf Zahlung von 5548 Euro. Das Landgericht Bielefeld hält eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht für möglich, will aber die Parteien zu einem Vergleich bewegen.

Die 71-jährige Herta K. (alle Namen geändert) besuchte am 12. Mai 2004 den E-Markt und schob gerade den Einkaufswagen hinter ihrer Tochter an der Wursttheke vorbei, als der Unfall passierte: Die gehbehinderte Frau rutschte aus und landete unsanft auf dem Boden. Herta K. zog sich eine Oberarmschaftspiralfraktur zu und verbrachte die folgenden vier Wochen in einem Krankenhaus.
Als Ursache für den Sturz wurde schon damals eine Scheibe Wurst vermutet: Tochter Selma hatte unter dem Schuh ihrer Mutter noch am Unfallort ein Stück Bockwurst entdeckt.
Behandlung, Krankengymnastik und sonstige Auslagen schlugen für die Krankenkasse mit 5548 Euro zu Buche. Zuviel für die Assekuranz, die die Verantwortung für den Wurstunfall eindeutig bei dem Marktbetreiber ansiedelte. Die Angestellten hätten ihrer Pflicht zu Sauberkeit und Ordnung nicht genügt. Juristische Begründung: Sie hätten schlichtweg die Verkehrssicherungspflicht verletzt.
»Der Supermarktbesucher neigt eher dazu, auf Salatblättern oder Weintrauben auszurutschen«, machte Jochen Geue, Vorsitzender Richter der 8. Zivilkammer des Landgerichts, die Problematik solcher Fälle deutlich. Soll heißen: Es gibt genügend Rechtsstreite, die in Unfällen vor Gemüse- oder Obsttheken in Supermärkten ihren Ursprung hatten. Rechtsprechung und Literatur sind in solchen Fällen eindeutig: Es besteht für Marktbetreiber und deren Angestellte eine Pflicht zur regelmäßigen Kontrolle. Das Personal muß in ständigen, nachgewiesenen Zeitintervallen von etwa 20 Minuten die Böden prüfen, um die Sturzgefahr durch herumliegende Gegenstände zu vermeiden.
Im Fall des Sturzes der Herta K. kam es in der Beweisaufnahme vor dem Landgericht zu der kuriosen Situation, daß sich der Marktleiter und zwei Verkäuferinnen der Wursttheke in vielerlei Hinsicht widersprachen. So wurde die Existenz eines Handbuches für Hygiene, Sauerkeit und Ordnung zwar bestätigt; die Frage, ob es Anweisungen für das Personal gebe, »ständig auf heruntergefallene Waren« zu achten, wurde von zwei Zeugen bejaht und verneint. Die dritte Fachkraft konnte sich nicht erinnern. Der Boden werde dann geprüft, wenn sich die Gelegenheit zum Auffüllen der Wursttheke ergebe, gaben die Verkäuferinnen zu. Kommentar von Jochen Geue: »Die gucken dann, wann immer es paßt.«
Obendrein hatte eine der Angestellten zugegeben, daß dieser Vorgang vom Kundenandrang abhängig sei: »Am Freitag isses voller, dann brennt die Hütte.«
Jochen Geue will den Parteien nun einen Vergleichsvorschlag unterbreiten. Kommt es zu keiner Einigung, so droht dem Markt wohl eine Verurteilung. Az: 8 O 119/05

Artikel vom 18.02.2006