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Südländisches Flair und Lebensqualität

Bielefeld bietet weitaus mehr als viele denken

Von Manfred Matheisen
Ein Witzbold stellt jüngst im Internet die kühne Behauptung auf: »Bielefeld gibt es überhaupt nicht!« Bei allem Respekt vor Humor und Satire - der Mann hat keine Ahnung. Bielefeld gibt's. Und wie!

Zugegeben: Obwohl sie ihre Stadt lieben, äußern sich die Bielefelder in ravensbergischer Bescheidenheit eher zurückhaltend über die Lebensqualität des ostwestfälischen Zentrums. Seine Vorzüge gar anzupreisen, wie es für Bewohner rheinischer Metropolen selbstverständlich ist, käme einem erdverbundenen Bielefelder nicht in den Sinn. Es wäre ihm, wie schon Chronist Gustav Engel weiß, »nicht gemäß«.
Schwärmen wir also nicht, halten wir uns an die Fakten. Nahezu 330 000 Menschen leben in der Stadt, die eine Fläche von 258 Quadratkilometern aufweist. Das entspricht im übrigen der Größe Frankfurts. In den Betrieben und Büros sind mehr als 170 000 Männer und Frauen sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
Rund 40 000 von ihnen pendeln täglich aus dem Umland nach Bielefeld ein.
Die Wirtschaftsstruktur ist breit gefächert. Namen wie Oetker, Seidensticker, Graphia, Gildemeister, Schüco, Alcina oder Goldbeck stehen für Unternehmen mit bestem Ruf weit über Deutschland hinaus. Es zählt zu den großen Leistungen der engagierten Unternehmer und der leistungsstarken Mitarbeiter, dass sie den Strukturwandel von der »Leinenstadt« zu einem Standort mit zukunftsorientierten Firmen gemeistert haben, die im Wettbewerb ganz vorn dabei sind. Ostwestfalen-Lippe mit seinem Zentrum Bielefeld zählt zu den wirtschaftsstärksten Regionen Deutschlands.
Bielefeld ist eine junge Stadt. Dazu tragen die mehr als 30 000 Studierenden bei, die die Universität oder die verschiedenen Hochschulen besuchen. Galt es für manchen Abiturienten vor zwanzig Jahren noch als »Strafversetzung«, wenn er einen Studienplatz »im Teutoburger Wald« zugewiesen bekam, gelten Universität und Fachhochschule heute als allererste Adressen. Forschung und Lehre sind anerkannt gut, in den immer beliebter werdenden »Rankings« belegt die Universität Spitzenplätze.
Sieht man von dem Wahrzeichen der Stadt, der Sparrenburg, und wenigen Gebäuden wie etwa dem Spiegelshof (Naturkundemuseum) oder dem Grest'schen Hof (Ratsgymnasium) ab, ist Bielefeld nicht gesegnet mit herausragenden historischen Gebäuden. Dennoch entwickelt die Stadt ein eigenes Flair. Zwei Beispiele seien genannt. Der Ravensberger Park mit der Ravensberger Spinnerei, die heute die Volkshochschule beherbergt, mit dem Historischen Museum, der Huelsmann-Villa und der gerade erst aufwendig sanierten Alten Tischlerei entwickelt sich zu einem wahren Kleinod, zu einer grünen Oase mitten in der Stadt. Hier ist es trefflich gelungen, die alte Industriearchitektur mit der Schönheit eines Landschaftsgartens zu verbinden.
Und dann die Altstadt, die die Bielefelder als ihre »gute Stube« bezeichnen. Zu Recht. Im November vorigen Jahres wurde eine knapp vier Millionen Euro teure Sanierung erfolgreich abgeschlossen. Die Straßen der Fußgängerzone sind mit chinesischem Granit gepflastert. Freundlich, großzügig und einladend wirkt nun das Quartier und steigert damit die Anziehungskraft Bielefelds als Einkaufsstadt Nummer 1 in Ostwestfalen-Lippe.
Nach einem Einkaufsbummel an einem sonnigen Tag vor einem der attraktiven Cafés oder Bistros zu sitzen und einen Espresso zu genießen - da kommt durchaus mediterranes »Feeling« auf.
Eine halbe Million auswärtiger Gäste haben 2005 Bielefeld zum Ziel eines Kurztrips gewählt. Viele von ihnen waren der Kultur wegen hier. Die Kunsthalle hat sich im Laufe der Jahre mit attraktiven Ausstellungen Renommee nicht nur in der Szene erworben. In der Stadthalle und im Ringlokschuppen - noch ein Zeugnis bemerkenswerte er Industriearchitektur - gastieren internationale Stars.
Von diesem Herbst an wird sich auch das Stadttheater wieder in den Kreis der »Kultur-Leuchttürme« (beliebte Bezeichnung in politischen Sonntagsreden) einreihen. Das Große Haus am Niederwall wird derzeit saniert. Mit Beginn der kommenden Spielzeit wird es zu den attraktivsten Bühnen in Deutschland zählen.
Dass das ehrgeizige Projekt verwirklicht werden kann, ist zu einem nicht unbeträchtlichen Teil der Bevölkerung zu verdanken. Mehr als eine Million Euro haben die Bielefelder schon für »ihr Theater« gespendet. Ohne dieses Geld wäre es nicht möglich gewesen, in der Ausstattung und Gestaltung das eine oder andere Ausrufezeichen zu setzen.
Überhaupt: Auf das Engagement ihrer Bürger kann die Stadt stolz sein. Ob Kultur, soziale Einrichtungen oder Sport. Immer mehr Menschen setzen sich aktiv ein, packen mit an, tun etwas für ihre Stadt - und schaffen damit Lebensqualität.
Bielefeld gibt es überhaupt nicht? Von wegen!

Artikel vom 15.03.2006