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Seehofer erwartet weitere Ausbreitung der Vogelgrippe

Zehn weitere Fälle auf Rügen - bundesweite Stallpflicht tritt heute in Kraft

Schwerin (dpa). Auf der Insel Rügen gibt es zehn weitere Fälle von Vogelgrippe. »Die Lage hat sich extrem zugespitzt«, sagte der Agrarminister von Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus (SPD), gestern Abend. Von 40 im Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit auf Riems geprüften Rügener Proben sei in jeder vierten das hochgefährliche Virus H5N1 nachgewiesen worden.

Bei den neuen Fällen handelt es sich nach Angaben von Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) um sechs Höckerschwäne, drei Singschwäne und eine Gans. Die Singschwäne als Träger der Vogelgrippe stellten eine neue Situation dar, da sie im Gegensatz zu den Höckerschwänen, bei denen das Virus bereits festgestellt worden war, Zugvögel seien und längere Strecken zurücklegten, sagte Seehofer in der ZDF-Sendung »Berlin Mitte«. Alle Tiere stammen aus der Umgebung von der Wittower Fähre, wo man auch die ersten beiden infizierten Schwäne gefunden hatte. Ein Singschwan war beringt und kam aus Lettland. Neue Vogelgrippe-Fälle gab es auch in Griechenland und Rumänien.
Seehofer ging schon vor Bekanntwerden der neuen Testergebnisse von einer weiteren Ausbreitung der Tierseuche aus. Der Minister forderte deshalb gestern im Bundestag ein »rigoroses und konsequentes« Vorgehen. Gleichzeitig verteidigte er Schutzmaßnahmen wie die Stallpflicht für Geflügel. Sie tritt bundesweit heute wieder in Kraft. Außerdem sind Geflügelmärkte und -ausstellungen vorläufig ausnahmslos verboten. Seehofer verschob seinen für heute geplanten Informationsbesuch nach Rügen auf morgen.
Heftige Auseinandersetzungen über das Vorgehen in Mecklenburg-Vorpommern hatte es gestern im Bundestag gegeben. Die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn kritisierte Zeitverluste vom Auffinden der beiden toten Schwäne am 8. Februar bis zu den Ergebnissen des Schnelltests erst 6 Tage später. »Ein Schnelltest, der 4 oder 6 Tage braucht, der ist schief gegangen«, rief Höhn Landesagrarminister Backhaus zu. Backhaus wies die Vorwürfe zunächst zurück. Nach dem Auffinden der beiden Schwäne am 8. Februar sei er an diesem Dienstag um 18.15 Uhr vom Loeffler-Institut über die positiven Befunde unterrichtet worden. »Bis dato hatten wir 3220 Tiere, die zur Beprobung angeliefert waren, von denen nicht eine positiv war.«
Nach den neuen Funden von Vogelgrippeviren auf Rügen forderte Backhaus den betroffenen Landkreis auf, umgehend zu handeln. »Ich habe dem Kreis eine Frist bis Freitag 10 Uhr gesetzt, alle toten Tiere zu beseitigen«, sagte er. Der Minister äußerte sich später unzufrieden über die vom Landkreis nach dem Bekanntwerden der Vogelgrippe ergriffenen Maßnahmen. Sie hätten nicht den seit langem im Land festgelegten Plänen entsprochen. »Ich habe den Eindruck, dass der Landkreis mit dieser Aufgabe überfordert ist.«
Nach Forscheransicht besteht für Menschen in Deutschland keine akute Gefahr. Maßnahmen wie die Stallpflicht und das Anleinen von Hunden seien aber sinnvoll, sagte der Biochemie-Professor Wolfgang Garten vom Institut für Virologie in Marburg.
Das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (Friedrich- Löffler-Institut/FLI) auf der Ostseeinsel Riems teilte mit, weitere Untersuchungen der vor Tagen auf Rügen verendeten zwei Schwäne hätten klar das hoch gefährliche Virus vom Typ H5N1/Asia nachgewiesen. Nach der genetischen Analyse gebe es eine Verwandtschaft zu H5N1-Viren, die in der Mongolei und am Qinghai-See in China gefunden wurden, sagte FLI-Sprecherin Elke Reinking.
Seehofer appellierte an die Eltern, dafür zu sorgen, »dass Kinder tote Vögel nicht anfassen«. Über eine Hotline des Ministeriums könnten Bürger Antworten auf Fragen - auch über den Umgang mit Haustieren - erhalten.
Die Hotline des Bundeslandwirtschaftsministeriums ist wochentags von 9 bis 17 Uhr unter den Telefonnummern 01888-529-4601 bis - 4605 zu erreichen.

Artikel vom 17.02.2006