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Liebe in Zeiten der Sturmflut

RTL-Zweiteiler zeigt Hamburger Katastrophe mit Dramatik und Gefühl

RTL, Sonntag, 20.15 und 22.15 Uhr: »Die Luftbrücke«, »Die Sturmflut«, »Dresden« - das deutsche Fernsehen steckt mitten in einer Phase historischer Aufarbeitungen.

Nachdem die ARD (und in der Wiederholung auch der NDR) bereits mit einem TV-Drama an die Hamburger Flutkatastrophe vom 17. Februar 1962 erinnerten, bricht die Katastrophe an diesem Sonntag und Montag (ebenfalls 20.15 Uhr) nochmals über Fernsehdeutschland herein: Der Zweiteiler »Die Sturmflut« ist für RTL mit einem Aufwand von acht Millionen Euro die bisher teuerste Produktion: hochkarätig besetzt und mit riesigem Einsatz von Spezialeffekten.
Dem Kölner Privatsender ist die Resonanz auf die »Eventprogrammierung«, wie RTL den Zweiteiler bezeichnet, unerhört wichtig. Denn auf Grund der Quote wird entschieden, ob Produktionen solcher Größenordnung bei Deutschlands führendem Privatanbieter weiter eine Rolle spielen.
Ähnlich wie Sat1 im Fall der »Luftbrücke« hat RTL das Ereignis mit einer Liebesgeschichte angereichert, um die eigentliche Spannung aufzubauen, denn der Ausgang der Flut in der Nacht zum 17. Februar 1962 selbst ist ja bekannt: Damals starben 315 Menschen. Die historische Detailtreue, wie sie die ARD-Produktion »Die Nacht der großen Flut« auszeichnete, spielt hier also nicht die erste Rolle. Beispielsweise ist die Flutwelle, die durch den Hamburger Stadtteil Wilhelmburg rauscht, noch höher als der Tsunami, der im Dezember 2004 Asiens Küsten verwüstete. 1,2 Millionen Euro investierte RTL allein in die Spezialeffekte des Zweiteilers.
Die Geschichte beginnt am Vorabend der Hochzeit von Katja Döbbelin (Nadja Uhl) mit dem gut situierten Arzt Markus Abt (Jan Josef Liefers). Ausgerechnet am Polterabend taucht Katjas ehemaliger Freund Jürgen (Benno Fürmann) auf, der vor Jahren einfach aus ihrem Leben verschwand. Das unverhoffte Wiedersehen zwingt Katja, sich zwischen einem finanziell abgesicherten Leben und der großen Liebe zu entscheiden. In diese psychische Zerrissenheit platzt die Welle. Sie setzt große Teile der Stadt unter Wasser, und plötzlich geht es für alle nur noch ums Überleben.
Auch in weiteren Rollen hat RTL für eine Spitzenbesetzung gesorgt: Dabei sind Götz George (als Fürmanns Vater), Heiner Lauterbach, Natalia Wörner, Elmar Wepper, Michael Degen, Jutta Speidel, Gaby Dohm, Bettina Zimmermann, Gil Ofarim, Jürgen Schornagel, Barbara Schöne, Arnd Klawitter und Stephan Luca. Den damaligen Hamburger Innensenator Helmut Schmidt verkörpert Christian Berkel. Für die Darstellung der Katastrophe wurde ein Straßenzug des Hamburger Stadtteils Wilhelmsburg in einem früheren Freibad bei Essen nachgebaut.
Für Schauspielerin Nadja Uhl, seit dem »Wunder von Lengede« erste Wahl bei üppig inszenierten Produktionen, ist die Vermischung von Katastrophe und Liebe das richtige Konzept. »Auf diese Art bekommt jede Katastrophe menschliche Gesichter«, sagt sie. »Man kann sich dem Gefühl des Gesehenen nicht mehr leicht entziehen.« Die Außendrehs, vor allem im Essener Schwimmbecken, waren für die betroffenen Schauspieler tatsächlich hart, denn Wasser ist für Filmer eine ungemütliche Kulisse, vor allem, wenn es kalt ist. 70 Tage drehte Regisseur Jorgo Papavassiliou an dem Zweiteiler.
Ergänzt werden die RTL-Katastrophenabende durch die Dokumentation »Die Sturmflut - Hamburg geht unter« im Anschluss an Teil eins des TV-Dramas. Drei Geschichten werden geschildert: Das Schicksal von Monika Genz, die in der Flutnacht ihren Freund aus den Augen verliert. »Spiegel«-Chefredakteur Stefan Aust berichtet, wie er die Flut erlebte - Aust wohnte mit seinen Eltern direkt am Deich auf einem Bauernhof. Klaus-Peter Behrens war als DRK-Helfer unermüdlich im Einsatz. »Ich habe heute noch daran zu knacken«, sagte der jetzt 65-Jährige.

Artikel vom 18.02.2006