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36 Tage gefangen
vom Sex-Gangster

Stephanie (13) ist wieder zu Hause

Dresden (dpa). Ein 35-jähriger mehrfach vorbestrafter Mann hat die 13-jährige Stephanie in Dresden auf dem Schulweg entführt, fünf Wochen in seiner Wohnung festgehalten und sexuell missbraucht.

Gegen den arbeitslosen Anlagenbauer wurde gestern Haftbefehl erlassen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm schweren sexuellen Missbrauch von Kindern und Freiheitsberaubung vor. Der Mann war 1999 wegen Kindesmissbrauchs zu drei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt worden. Er habe zwei Drittel der Strafe abgesessen und sei 2002 vorzeitig entlassen worden, erklärte Staatsanwalt Christian Avenarius.
Ein Sachverständigengutachten ging davon aus, dass keine Gefahr mehr von ihm ausgehe. Seitdem lebte er unauffällig im selben Stadtteil wie die Familie seines späteren Opfers. »Er hat sie abgepasst, in seinen Wagen gezerrt und in seine Wohnung gebracht«, sagte Avenarius. Dort habe er sie zeitweise in eine Kiste gesperrt, wenn sie allein blieb. »Er hat ihr einen Knebel in den Mund gesteckt und diesen mit einem Pflaster zugeklebt.«
Auf nach wie vor unbekannte Weise gelangten mehrere Zettel mit Hilferufen des Mädchens in die Nähe eines Papiercontainers mehrere Straßen entfernt. »Das Kind konnte den Zettel dort ablegen«, war die einzige Auskunft von Avenarius. Weitere Einzelheiten wollte er im Interesse der laufenden Ermittlungen nicht sagen. Doch es scheint festzustehen, dass der Täter vermutlich mehrfach mit seinem Opfer die Wohnung verlassen hat. Ein Passant fand schließlich das Papier: die erste Spur nach 36 Tagen Ratlosigkeit.
»Es war der entscheidende Hinweis«, sagte Polizeipräsident Dieter Hanitsch. »Wir hatten bis Mittwoch keinen Ansatzpunkt, auch keinen Hinweis auf ein Sexualdelikt«, sagte Kriminalrätin Sonja Krüßel. Es wurde in alle Richtungen ermittelt. Bundesweit wurden fast 900 Menschen befragt und überprüft, 3415 E-Mails aus Computern der Familie ausgewertet. Das Wohnumfeld der Familie und der Schulweg wurden mit Hunden abgesucht, mehrfach das Wohngebiet mit dem Hubschrauber überflogen. Auch die 1500 verteilten Handzettel brachten nichts Verwertbares.
Einbezogen in die Recherchen wurden auch die der Polizei bekannten Täter im Umfeld von Stephanie. »Dort war dieser Täter nicht dabei«, sagte er. Der Mann war noch unter der Adresse in einem anderen Stadtteil verzeichnet. Seit Mai 2004 wohnte der 35- Jährige in der Straße unweit von Stephanies Elternhaus.
Das Kind sei plötzlich wie vom Erdboden verschwunden gewesen. Kein Fund, kein persönlicher Gegenstand, keine Beobachtungen. »Wir hatten die Option zwischen getötet oder abgehauen«, sagte Krüßel. »Es war riesengroßes Glück, dass einer ihrer Zettel gefunden wurde«, sagte ihr Vater. Das Mädchen konnte - wie berichtet - aus der Gewalt des Mannes befreit werden, der sich widerstandslos festnehmen ließ. »Er war überrascht«, sagte Avenarius.
Weitere Auskünfte über die Situation, die die Beamten vorfanden, wollte er nicht geben. Stephanie gehe es den Umständen entsprechend gut, sagte ihr Vater.

Artikel vom 17.02.2006