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Mörder wollte Geisel nehmen

Täter nicht ins Gefängnis verlegt - Polizeigewerkschaft kritisiert Klinik

Von Christian Althoff
Lippstadt/Löhne (WB). Kindesmörder Alfred Schütz (46) aus Löhne (Kreis Herford) hat in der Gerichtspsychiatrie Lippstadt-Eickelborn die Geiselnahme einer Therapeutin vorbereitet. Nachdem der Plan im Januar aufgeflogen war, hat die Klinik weder die Polizei informiert noch Schütz' Verlegung in eine geschlossene Justizvollzugsanstalt beantragt.
Carsten Ernst: »Mein Mandant will eine Therapie.«

Der Mann, dem ein Gutachter einmal eine schizoide Persönlichkeitsstörung bescheinigt hatte, war wegen illegalen Waffenbesitzes in Eickelborn untergebracht. »Schon nach der ersten Therapiestunde hegte mein Mandant Hassgefühle gegen seine Therapeutin«, sagt Rechtsanwalt Carsten Ernst aus Bielefeld. Schütz entwickelte nach eigenen Angaben den Plan, sich mit der Frau in seinem Zimmer zu verbarrikadieren und sie mit einer Stichwaffe zu bedrohen, die er aus einem Federballschläger und einer Gabel gebastelt hatte. Für den Fall, dass seine Forderungen nicht erfüllt würden, wollte er vor einem Polizeizugriff die Frau und sich erstechen. »Es hätte für mich kein Zurück mehr gegeben«, notierte der Straftäter.
Die Notizen, die Alfred Schütz zu der geplanten Geiselnahme gemacht hatte, waren Mitte Januar bei einer Zimmerkontrolle von zwei Krankenpflegern entdeckt worden. Auch die Waffe soll gefunden worden sein. Am 27. Januar war Schütz dann in die neu fertiggestellte Gerichts-Psychiatrie nach Dortmund verlegt worden - ohne dass die Leiterin der Eickelborner Klinik Polizei oder Staatsanwaltschaft über das geplante Verbrechen informiert hatte. In Dortmund wird Schütz nun ausgerechnet von der Therapeutin behandelt, die er schon in Eickelborn gehasst hatte und als Geisel nehmen wollte. Der Anwalt: »Mein Mandant ist zu einer Therapie bereit, aber nur mit Menschen, die ihn ernst nehmen. Ich bewerte den durchaus ernsthaften Plan zur Geiselnahme als einen Hilferuf.«
Wilfried Albishausen, der Landesvorsitzende des »Bundes Deutscher Kriminalbeamter« (BDK), kritisierte gestern: »Auch wenn die bloße Planung einer Geiselnahme möglicherweise noch nicht strafbar ist, gehört ein Mann mit dieser Vorgeschichte nicht länger in ein Krankenhaus. Die zuständige Strafvollstreckungskammer sollte umgehend prüfen, ob er nicht sofort in eine Haftanstalt verlegt werden muss - bevor tatsächlich etwas passiert und Polizisten die Sache wieder ausbügeln müssen.«
Dagegen erklärte gestern Karl Donath, Sprecher des Klinikträgers: »Es ist keine Anzeige erstattet worden, weil unsere Ärzte den Plan zur Geiselnahme als Ausdruck einer schweren psychischen Störung des Mannes gewertet haben. Die Ärzte gehen davon aus, dass sich die Sache therapeutisch bearbeiten lässt.«
Alfred Schütz hatte seit seiner Jugend schwerste Straftaten begangen. 1976 hatte er in Löhne die acht Jahre alte Tochter einer Nachbarsfamilie in den Keller verschleppt und mit einem Kabel erdrosselt. Anschließend schlug er dem toten Kind den Schädel ein. Wegen dieses Verbrechens war Schütz zu neun Jahren Jugendstrafe verurteilt worden.
Nach seiner Entlassung beging er 1986 einen Banküberfall und wurde für zehn Jahre ins Gefängnis geschickt. Zusammen mit zwei weiteren Häftlingen hatte Schütz daraufhin im August 1987 in der JVA Bielefeld-Brackwede zwei Vollzugsbeamte als Geiseln genommen, die mit selbstgebauten Sprengsätzen bedroht wurden und Ketten aus Rasierklingen um den Hals tragen mussten. Nach 19 Stunden Nervenkrieg waren die Gangster mit ihren Geiseln in die Freiheit gefahren, wo sie sofort von SEK-Kräften überwältigt worden waren.
Schütz wurde später zu 13 Jahren Haft verurteilt.

Artikel vom 17.02.2006