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Eis-Express rast auf den Thron

Goldenes Ende der Zickerei: Deutschlands Damen triumphieren gemeinsam

Turin (dpa). Anni Friesinger stieß die Fäuste in die Luft, Daniela Anschütz-Thoms war den Tränen nahe, Claudia Pechstein bestieg den Olymp: Der Deutschland-Express ist am Donnerstag in einer sensationellen Tempohatz zu Gold gerast.

Dank starker Nerven und enormer Physis gewann das deutsche Damen-Trio das Finale der Mannschafts-Verfolgung gegen Kanada. Mit der Topzeit von 3:01,25 Minuten gehen die »Golden Girls« als erster Olympiasieger über die sechs Runden in die Eisschnelllauf-Annalen ein. Mehr als 20 Meter Vorsprung hatte das Gold-Trio im Ziel vor Kanada (3:02,91).
»Im Moment bin ich einfach überglücklich, ich kann noch gar nicht richtig darüber nachdenken. Ein großes Lob an 'Schützi'«, jubelte Claudia Pechstein. Anni Friesinger konnte nach der Blumen-Zeremonie die Tränen nicht mehr zurückhalten und umarmte ihre Mutter Janina. Die Anspannung hatte sich endlich gelöst, obwohl sie schon kurz nach dem Start ein gutes Gefühl hatte: »Nach der ersten Runde haben wir schon klar geführt.«
Mit hoch gereckten Armen ließen sich die Drei auf der Ehrenrunde mit der deutschen Fahne minutenlang von den 6000 Fans im Oval Lingotto von Turin feiern. »Das ist der blanke Wahnsinn«, schrie Claudia Pechstein und schlug die Hände vors Gesicht. Für die Berlinerin, die wegen der Allergie leicht gehandicapt in das Rennen gegangen war, bedeutete der Team-Triumph die fünfte Goldmedaille bei Winterspielen. Mit ihrem achten Edelmetall (5/1/2) kletterte die 33- Jährige in der Hierarchie aller Wintersportler auf die fünfte Position und ist nun nach der Russin Lidija Skoblikowa (6/0/0) die erfolgreichste Eisläuferin bei Olympia. Auf ihre alte Dauer-Fehde mit Friesinger angesprochen reagierte Pechstein so: »Ich bin doch keine 20 mehr. Die Zickerei ist aus. Wir haben hier gemeinsam Gold geholt. Basta.«
Als »Mutter« des großartigen Erfolges aber darf die zwei Jahre jüngere Daniela Anschütz-Thoms gelten. Die Erfurter Weltmeisterin musste als einzige des deutschen Quintetts gleich vier Mal antreten. »Ich wusste, dass ich es drauf habe - ich bin in der Form meines Lebens. Und wenn's sein muss, dann mach ich's eben«, sagte die »Schattenfrau« im Gold-Team.
Im Halbfinale hatte der Deutschland-Express, der nach dem Gewinn des WM-Titels im Vorjahr und dem Weltrekord von 2:56,04 Minuten im November 2005 als Favorit galt, in 3:02,72 Minuten das russische Trio mit 4,70 Sekunden Vorsprung geradezu deklassiert. Mit hoch gereckten Armen feierte die Deutschen kollektiv den Finaleinzug. Auf der Schlussrunde konnte das Trio ebenso wie Final-Gegner Kanada sogar ein wenig Kräfte sparen. »Die Marschroute hieß schnell angehen und hinten raus wieder etwas Tempo wegnehmen. Das haben die Mädels glänzend gemacht. Sie sind ein Superrennen gelaufen«, sagte der verantwortliche Team-Trainer Markus Eicher.
Das Herren-Team der Azzurris eroberte die erste Goldmedaille im Eisschnelllaufen für Italien. In einem dramatischen Finale peitschten die Zuschauer ihre Lieblinge zum Sieg, Kanadas Trio hatte nichts mehr zuzusetzen. Eine Sensation gab es im Halbfinale: Klar in Führung liegend, musste Weltmeister Niederlande die Segel streichen, weil der 5000-Meter-Olympia-Zweite Sven Kramer nach zwei Dritteln des Rennens stürzte und somit den Weg freimachte für einen erneuten Medaillengewinn der Italiener. Die deutschen Herren setzten sich im Kampf um Platz sieben in 3:48,28 Minuten gegen die Japaner durch.

Artikel vom 17.02.2006