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Menschlichkeit
zahlt sich aus

Liz Mohn beim IHC in Bielefeld

Von Bernhard Hertlein
Bielefeld (WB). »Liebe öffnet Herzen«,Êheißt ihr Buch. Sie selbst beweist es immer wieder neu. Gestern abend begeisterte Liz Mohn auf Einladung des Industrie- und Handelsclubs Ostwestfalen-Lippe 250 Zuhörer in der Ravensberger Spinnerei mit einem, so IHC-Präsident Dirk U. Hindrichs, »wunderbaren Vortrag«.
Liz Mohn: »Ob eine gute Unternehmenskultur herrscht, spüre ich schon, wenn ich durch die Eingangstür gehe.« Foto: Büscher

Ohne auf Bertelsmann-Themen wie den möglichen Börsengang oder einen etwaigen Rück- bzw. Weiterverkauf des von dem belgischen Fonds GBL gehaltenen 25-Prozent-Anteils einzugehen beschrieb Liz Mohn die besondere Unternehmenskultur des Gütersloher Medienkonzerns. Basis seien eine weitgehende Handlungsfreiheit der Führungskräfte und die Delegation von Verantwortung. Die Mitarbeiter sowohl an Entscheidungen als auch anschließend am Gewinn zu beteiligen, zahle sich am Ende für das Unternehmen aus.
Zum besonderen Umgang mit der Belegschaft kommt bei Bertelsmann noch die Verpflichtung des Eigentümers gegenüber der Gesellschaft, der er seinen Gewinn verdankt. Reinhard Mohn, dessen Ideengut sich die Ehefrau voll und ganz verpflichtet fühlt, hat dazu die Bertelsmann-Stiftung gegründet. Liz Mohn, die darüber hinaus die Deutsche Schlaganfallstiftung und den international renommierten Gesangswettbewerb »Neue Stimmen« ins Leben gerufen hat und sich in jüngster Zeit zusätzlich besonders dem Thema Familie und Beruf widmet, stellt die Menschlichkeit an erste Stelle.
Dies schließt Kritik nicht aus. In Deutschland seien viele zu satt geworden und zu langsam. Ihnen sei die Neugierde verloren gegangen. Vorbilder fehlten oder würden missachtet. Anders in Asien: Dort identifizierten sich die Menschen mit dem Land, in dem sie lebten, und mit dem Unternehmen, für das sie arbeiteten. Die Familie habe einen anderen Stellenwert als hier, wo 60 Prozent der Kinder nicht ein Mal täglich gemeinsam mit der Familie essen.
Als beängstigend beschrieb Liz Mohn, dass 25 Prozent der Manager in Deutschland in psychotherapeutischer Behandlung seien. Dies sei Folge einer Unkultur, die, statt positiv zu motivieren, nur Druck aufbaue. Wie viel mehr könne man erreichen, wenn man Vertrauen stifte. Gute Leistungen anzuerkennen und zu loben sei nicht nur im Unternehmen, sondern auch in der Familie unverzichtbar. Im Übrigen sei es wichtig, dass man als Mitarbeiter auch einen Fehler machen dürfe. »Menschlichkeit gewinnt«, zitierte Liz Mohn einen Leitsatz ihres Mannes. Wichtig sei, dass jeder aus seinen Fehlern die richtigen Schlüsse ziehe und sie nicht wiederhole. Andererseits seien in einem Betrieb, mit dem sich die Mitarbeiter identifizierten, zu gegebener Zeit auch notwendig werdende Einschnitte etwa beim Gehalt oder Veränderungen bei der Arbeitszeit leichter durchzusetzen.
»Ob in einer Firma eine gute Unternehmenskultur herrscht, spüre ich schon, wenn ich durch die Eingangstür gehe«, erklärte Liz Mohn. Hindrichs, angetan von der »femininen und sozialen Intelligenz« der Referentin, bestätigte diese Einschätzung. Als Manager müsse man sich immer wieder klar machen, dass auch für die Mitarbeiter das Unternehmen so etwas wie die zweite Heimat sei.

Artikel vom 17.02.2006