15.03.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Olympisches Gold glänzt in der
Sportregion Ostwestfalen-Lippe

Bundesliga-Fußball in Bielefeld und Paderborn - Deutschlands Handball-Hochburg

Von Matthias Reichstein
Wer an Leistungssport in Deutschland denkt, der kommt an Ostwestfalen-Lippe nicht vorbei. Zugegeben, eine Behauptung, die kühn ist. Denn Spitzensport wird hierzulande zunächst mit Fußball verbunden, und da hat die zwei Millionen Einwohner zählende Region noch Nachholbedarf.

Immerhin: Nationalspieler Arne Friedrich stammt aus Bad Oeynhausen, sein Vorgänger Thomas Helmer ist Herforder. Auch die Trainer Ewald Lienen (Schloß Holte Stukenbrock), Thomas von Heesen (Höxter-Albaxen) oder Michael Henke (Büren) haben ihre Wurzeln in OWL. Außerdem besitzen die Bielefelder Arminen einen Titel, für den es keinen Preis gibt: Rekordaufsteiger.
Seit 1970 ging es für Ostwestfalens bislang einzigen Erstligisten siebenmal rauf in die Eliteliga. Das ist einmalig, doch Meisterschaften oder Pokaltriumphe gab es im Fußball nie zu feiern. Dagegen steht Arminias Verwicklung in den Bundesliga-Skandal 1972 für das dunkelste Kapitel der 100-jährigen Vereinsgeschichte. Doch so sportlich stark wie in den zurückliegenden Monaten, präsentierten sich die Bielefelder nur zu Beginn der achtziger Jahre, als sie zwei Mal den achten Platz belegten.
Klassenerhalt 2005, jetzt zum zweiten Mal innerhalb von nur einem Jahr im Halbfinale des DFB-Pokals und ganz nebenbei die Mitgliederzahl auf mehr als 5600 verdoppelt - das liest sich nicht nur gut, das deutet auch an, was in der Zukunft noch möglich ist.
Der SC Herford (1976 - 1978, 1979 bis 1981), TuS Schloß Neuhaus (1982/83) und der FC Gütersloh (zuletzt von 1996 bis 1999) schafften den Sprung bis in die zweite Liga, eine neue Duftmarke setzt dort seit Saisonbeginn der SC Paderborn 07. Der Fusionsklub ohne Tradition machte 2004 Schlagzeilen wie kaum ein anderer OWL-Klub. Die von Schiedsrichter Robert Hoyzer manipulierte Pokalpartie gegen den Hamburger SV warf dabei die dunkelsten Schatten auf den SCP. Auf dem Rasen rollt dagegen der Ball so gut wie noch nie. Der Ligaverbleib ist greifbar nah, der nächste Schritt nicht ausgeschlossen. Wobei der mit einer Provinz-Posse ohne Beispiel enden könnte: Bundesliga-Aufstieg, aber keine Lizenz, weil das bundesligataugliche Stadion nicht fertig ist.
Der Fußball ist auch in Ostwestfalen-Lippe die Nummer 1, dabei ist die Region im Handball die bundesdeutsche Hochburg. Aktuell spielen mit TBV Lemgo, GWD Minden und TuS Nettelstedt-Lübbecke drei Teams in Liga 1. Die Nummer 1 ist zur Zeit der TBV Lemgo. Deutscher Meister (1997, 2003), Pokalsieger (1995, 1997, 2002) und Europapokalsieger 1996 - die Lipper legten die Latte in den vergangenen Jahren für die heimische Konkurrenz sehr hoch.
Auf eine noch längere Tradition kann Dankersen (ein Ortsteil der Stadt Minden) verweisen. Dort wird seit Gründung der Bundesliga (1966) in den beiden höchsten Ligen gespielt. Der mehrfache Europapokalsieger (1968, 69, 70) Meister (67, 70, 71, 77) und Pokalsieger (75, 76, 79) ging vor der Saison 2004/2005 neue Wege. Aus finanziellen Gründen wurde die Hälfte der Heimspiele von der Mindener Kampa-Halle in die TUI Arena nach Hannover verlegt.
Der Verein nannte sich fortan auch GWD Minden-Hannover, doch nur bis September 2005. Nach finanziellen Streitigkeiten löste GWD den Kontrakt, strich den Zusatz »Hannover« aus dem Namen und spielt seitdem wieder ausschließlich an der Weser.
Einen Rekord für die Ewigkeit hält der TuS Nettelstedt-Lübbecke. In der Saison 2004/2005 marschierte der Verein mit 68:0 Punkten durch die zweite Liga.
Erstmals bundesweit Schlagzeilen machte der TuS 1970, als es dem kleinen Klub gelang, den damaligen Kapitän der Nationalmannschaft vom OWL-Rivalen GW Dankersen zum TuS zu holen. Mit dem Handball-Idol Herbert Lübking gelang der Durchmarsch, bis 1977 stieg der Verein siebenmal in Folge auf und war schließlich Gründungsmitglied der eingleisigen Bundesliga. Unvergessener Höhepunkt, auch wenn 1997 und 1998 noch zwei weitere Europapokalsiege folgten, war der erste Triumph auf europäischer Bühne 1981. In zwei denkwürdigen Endspielen wurde Empor Rostock besiegt.
Europäischen Glanz verpassen OWL sonst eher Randsportarten wie der vierfache Meister Paderborner Squash Club, der im Vorjahr den Hattrick schaffte und sich zum dritten Mal Europas Krone aufsetzte. Oder die Tischtennis-Asse der Sportvereinigung Steinhagen. Die Damen an der Platte wurden von 1989 bis 1994 sechsmal in Folge Meister und zweimal (1992/93) Europapokalsieger. Seit einem Rückzieher der Sponsoren 1994 spielt der Klub im Spitzensport keine Rolle mehr. Dafür haben sich die Damen des TuS Bad Driburg seit 1998 in der höchsten deutschen Liga etabliert. Ihr größter Erfolg: Vizemeister 2000.
Die Seriensiege ostwestfälischer Klubs ließe sich noch beliebig fortsetzen. So wurden die Paderborner Untouchables in den vergangenen sieben Jahren sechsmal Deutscher Baseballmeister, die Tennis-Asse vom TC Blau-Weiß Halle sicherten sich den nationalen Titel 1995.
Doch sucht man in der Chronik nach einem Verein, der sicher mehr Tränen vergoss, als Titel gewann, kommt man unweigerlich auf den VBC 69 Paderborn.
Zwischen 1979 und 1985 baggerten sich die Volleyballer zu sechs (!) Deutschen Vizemeisterschaften. Zwar gab's in der Saison 1980/81 wenigstens einen Pokalsieg zu feiern, ein Trostpflaster war das aber nicht.
Mit etwas größeren Bällen versuchten es schon immer die Paderborner Basketballer -Êbis 1991 unter einem Dach mit den Volleyballern, danach im Alleingang. Als Paderborn Baskets schnupperten die Riesen bereits in der Saison 1994/95 Erstligaluft. In der laufenden Spielzeit ist den Korbjägern, die inzwischen Schröno Paderborn Baskets heißen, der zweite Aufstieg fast nicht mehr zu nehmen.
Olympisches Gold glänzte in Ostwestfalen-Lippe bereits drei Mal. Natürlich im Reitsport. Hier setzte sich die lange Tradition fort, für die auch Lutz Gössing, Sönke Sönksen Lutz Merkel, Heinrich-Wilhelm Johannsmann oder Ulrich Meyer zu Bexten stehen. Der Springreiter Wolfgang Brinkmann (Herford) gewann 1988 in Seoul mit der Mannschaft das Edelmetall, Franke Sloothaak (Borgholzhausen) war ebenfalls 1988 und 1996 in Atlanta vorn.
Hoch zu Ross siegte 2004 in Athen auch Dressurreiter Hubertus Schmidt (Borchen-Etteln). Nicht zu vergessen Helmut Rethemeier. Der Landwirt aus Vlotho wurde 1982 in Luhmühlen Military-Vizeweltmeister. Für einen besonderen Farbtupfer sorgte Olaf Hampel. Im Bob von Harald Czudaj machte der Bremser aus Bielefeld 1994 in Lillehammer seinen Traum vom Olympiasieg wahr.
Fortsetzung auf Seite 51

Artikel vom 15.03.2006