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Nicht um jeden
Preis für den
Erfolg verbiegen
Vor zehn Jahren gewann Bianca Shomburg Casting-Show
»Das Thema Grand Prix ist für mich in den Hintergrund gerückt. Wenn ich Zeit habe, schau' ich mal in die Übertragung rein - aber dann nur aus rein beruflichen Gründen.« Es schwingt nicht die Spur von Frust oder Verbitterung mit in der Stimme, wenn die gelernte Verwaltungsangestellte über den Grand Prix in Dublin und die Zeit danach erzählt. »Die Teilnahme an der Ausscheidung, der Kontakt zu Ralph Siegel, zu den anderen Sängern und Musikern und das ganze Drumherum war unglaublich lehrreich für mich. Das hilft mir heute, meinen Schülern entsprechendes Wissen mit auf den Weg zu geben.«
Schüler? Ja, Schüler. Bianca Shomburg hat mit ihrem Lebensgefährten und musikalischen Partner Klaus Scharffenorth (45) gemeinsam eine Musikschule der besonderen Art gegründet. »Talent Coaching - Ausbildung zur modernen Musikpraxis« heißt das seit 2003 in Gütersloh angesiedelte Unternehmen. 50 bis 60 junge Menschen bekommen dort derzeit eine ganz individuelle Ausbildung. »Wir unterrichten ausschließlich im Einzelunterricht. Komposition, Gesang, Klavier, Tanz, Studioarbeit, Sprache, Gehörbildung - wir wollen unseren Schülern die Bühnenreife vermitteln«, sagt Scharffenorth, der in Detmold Musik (unter anderem Klavier, Gesang, Orchesterleitung und Chorleitung) studiert hat.
Wie erfolgreich dieses Ziel umgesetzt wird, konnten Fernseh-Zuschauer kürzlich Samstag für Samstag erleben. Anna-Maria Zimmermann aus Rietberg-Westerwiehe im Kreis Gütersloh, die lange Zeit mit im Rennen um den Sieg von »Deutschland sucht den Superstar« bei RTL war, kommt beispielsweise aus dem »Stall« Shomburg/Scharffenorth.
»Wir haben noch eine Reihe weiterer viel versprechender Talente«, sagt Scharffenorth, der ebenso wie auch seine Lebensgefährtin schon vor der »Talent-Coaching«-Gründung privat Schüler in Musik und Gesang unterrichtete.
»Diese Arbeit und regelmäßige Auftritte haben erheblich dazu beigetragen, dass ich mich von dem Tiefpunkt nach dem Misserfolg beim Grand Prix 1997 wieder erholt habe.« Ohne zu zögern gibt Bianca Shomburg zu, dass sie damals eine schwere Zeit durchgemacht hat. »Erst die großen Erfolge bei der Casting-Show und dem Vorentscheid, dann der Rückschlag auf internationaler Ebene. Das tat schon weh.«
Zudem habe sie - aus heutiger Sicht - den Fehler gemacht, anschließend mit Siegel weiterzuarbeiten. »Das hat mich in einen Interessenkonflikt gebracht. Denn Siegels Markenzeichen ist der deutsche Schlager. Und mein Programm war schon damals fast komplett auf amerikanische Musik ausgelegt. Ich wollte mich nicht um jeden Preis für den Erfolg verbiegen.«
Die Erfahrungen dieser Zeit aber möchte die 31-Jährige nicht missen. »Damals habe ich begriffen und entschieden, welche Musik ich wirklich machen möchte. Der feste Glaube daran und die Ausbildung junger Talente haben mir geholfen, neue Ziel zu stecken.«
Nach wie vor steht Bianca Shomburg häufig auf der Bühne. Um die 70 Auftritte pro Jahr sind es, die sie entweder als Solo-Künstlerin oder in Verbindung mit der Gruppe »United Voices« europaweit absolviert. Gegründet wurde die Gruppe übrigens 1995, also im Jahr ihres ersten großes Erfolgs, von ihr und ihrem Freund Scharffenorth.
Inzwischen singen häufig auch die an der Gütersloher Talentschmiede ausgebildeten angehenden Künstler in der Gruppe mit, deren Besetzung sich fünf Jahre nach der Gründung aufgrund von Ortswechseln einiger Mitglieder erstmals veränderte.
Stolz sind Shomburg und Scharffenorth, die inzwischen in Halle (Kreis Gütersloh) wohnen, dass alle ihre Schüler dabei in der Lage sind und vor allem auch die Klasse haben, einen Solopart zu übernehmen. »Da zahlt sich die Arbeit an der Schule aus. Gleichzeitig wird auch deutlich, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind.«
Auf dem richtigen musikalischen Weg befindet sich unterdessen auch Bianca Shomburg. Sie singt das, was ihr am allermeisten Spaß macht - eine Mischung aus Rock, Pop und Country, angelehnt an Vorbilder wie Aretha Franklin oder Shania Twain. »Für diese Musik habe ich schon immer gelebt. Die jetzige Entwicklung sehe ich als Bestätigung unserer konsequenten Arbeit.«
Hintergrund dafür ist die Freundschaft zu dem US-Musiker Gery James, den das deutsche Paar bei einem Florida-Urlaub im März vergangenen Jahres kennen gelernt hat. »Wir waren dort in einer so genannten Duelling Piano Bar. Dort saßen drei Musiker mit allen erdenklichen Instrumenten auf der Bühne. Sie spielten und sangen alles, was sich das Publikum wünschte. Und alles mit unglaublicher Qualität«, ist Scharffenorth noch immer tief beeindruckt von dem Können der drei Künstler.
Als Überraschung organisierte er dort auch einen Kurzauftritt für Bianca. Niemand konnte ahnen, dass sich Bianca mit dem Titel »Respect« von Aretha Franklin nicht nur Respekt verschaffte, sondern das Publikum zu Jubelstürmen hinriss.
»So etwas hatte ich noch nie erlebt. Nach drei vier Textzeilen stand der Laden Kopf. Ich habe auf der Bühne eine Gänsehaut bekommen, als die Gäste mich so gefeiert haben«, erinnert sich die einstige Grand-Prix-Sängerin noch genau an jeden Moment dieses denkwürdigen Auftritts in Florida vor fast genau zwölf Monaten, dem weitere folgten. Denn an den nächsten Abenden und bei weiteren Aufenthalten im Juli und vor wenigen Wochen war Bianca Shomburg bereits fester Bestandteil der musikalischen Unterhaltung in der Bar.
Zudem gingen Emails zwischen den USA und Deutschland hin und her. Gery James schickte einige von ihm geschriebene Songs und Bianca sang diese im Studio ein. Der US-Musiker hat inzwischen einige Songs an amerikanische Plattenfirmen geschickt.
»Ich fände es natürlich riesig, wenn sich eine Plattenfirma interessieren würde«, sagt die 31-Jährige, ohne aber wirklich ernsthaft auf einen großen Durchbruch zu hoffen. »Ich singe, weil es mir Spaß macht.« Genau aus diesem Grund freut sie sich auch, dass Gery James jetzt nach Deutschland kommt. Am 18. März wird er im Jazzclub Bielefeld auftreten. Gemeinsam mit Scharffenorth und natürlich Bianca Shomburg, die einige ihrer neuen Stücke präsentiert. Wolfgang Schäffer

Artikel vom 04.03.2006